Covid kann kurz dauern, aber auch lange andauern. Eine Gefahr bleibt, auch wenn es von den meisten Menschen im Alltag glücklicherweise anders erlebt wird. Knapp über 3% aller Infizierten dürften von Long-Covid (mit anhaltenden Beschwerden bis zu 12 Wochen nach einer akuten Infektion) oder von Post-Covid (über 12 Wochen hinaus) betroffen sein. Klingt wenig, das können aber immerhin mehr als 300.000 Langzeitbetroffene sein. Sie leiden unter krankhafter Erschöpfung, Atemnot, Konzentrations-, Wortfindungs- und Gedächtnisstörungen, sodass ihnen einfachste Alltagsaktivitäten schwer fallen. Dabei gehe es um Symptome, die mehr als vier Wochen nach der Ansteckung weiterbestünden, sich verschlechterten oder neu auftreten. Ein Problem ist, dass das Long-Covid-Risiko kumulativ ist. Je häufiger man sich also infizert, desto wahrscheinlicher ist man irgendwann selbst Betroffener.

Zahl der Long-Covid-Fälle sprunghaft gestiegen: In den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres litten in Bayern 350 000 Menschen nach einer Corona-Erkrankung an langfristigen gesundheitlichen Folgen.

berichtet die Süddeutsche Zeitung. Das sind keine Schätzungen, sondern die offiziellen Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung.

Bayern hat 13.2 Mio Einw., Österreich im Vergleich dazu 9 Mio. Grundimmunisiert (also dreifach geimpft) sind in Bayern 59.2 % der Gesamtbevölkerung, in Österreich 56,2 % und die Seroprävalenzraten sind annähernd gleich. In diesem Sinne ist Österreich mit Bayern vergleichbar. Selbst bei den Coronamaßnahmen gab es kaum Unterschiede. Wenn man Bayern kennt, weiß man, dass sich auch unsere Lebensweisen kaum voneinander unterscheiden. Es gibt also keinen ersichtlichen Grund anzunehmen, dass die Zahlen in Österreich viel anders sein dürften.

Ähnlich hoch sind die gemeldeten Fallzahlen aus Baden-Württemberg mit rund 11 Mio. Einw., aber einer etwas höheren Grundimmunisierungrate mit 61.4 % und sonst wiederum gleichen Voraussetzungen.

Hochgerechnet bedeuten die Zahlen für Österreich für die ersten 9 Monate des Jahres 2022 rund 230.000 Long- und Post-Covid Fälle. Das ist keine vernachlässigbare Größenordnung in Anbetracht von über 200.000 offenen Stellen am Arbeitsmarkt. Über das gesamte Jahr hochgerechnet, entspräche das immerhin mehr als 300.000 Menschen, die von Long-Covid oder Post-Covid betroffen sind, selbst wenn die allermeisten auch wieder gesund werden.

Es wundert doch, warum Langzeitbetroffene in Österreich so wenig sichtbar sind. Kathryn Hoffmann – Leiterin der Abteilung für Primary Care Medicine am Zentrum für Public Health der MedUni Wien – lieferte dazu eine recht einfache Erklärung. Es werden in keinem Fall Daten erhoben und es gibt auch keine ambulante Diagnosenerfassung. Dies bestätigt auch der Neurologe und bekannte Long-Covid Experte Michael Stingl.

Vielleicht sollte man langsam beginnen über Langzeitfolgen einer SC2-Infektion zu sprechen und auch Daten zu erheben?

Ernst gemeinte Frage: „wo kriegt man solche Daten für Österreich her“, fragen sich in Österreich noch immer zu viele Wissenschafter und Mediziner. Und vor allem, dass man darüber nur hinter vorgehaltener Hand spricht, zeigt einen skandalösen Umgang der österreichischen Gesundheitspolitik mit menschlichen Schicksalen.

Der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka verspricht, sich dieser Frage anzunehmen. 300.000 kranke Menschen sind auch für eine kleine offene Volkswirtschaft von großer Relevanz. Das sind immerhin etwas mehr als 3% der Gesamtbevölkerung, schließlich haben wird gerade die größte SC2-Welle seit letztem Jahr im März (vgl. Abwassersignal), wieder mit unzähligen Kranken und Re-Infizierten. Und das Risiko für Long-Covid und Spätfolgen wird immer deutlicher: Aus den bisher gemeldeten „deutschen“ Fällen ergibt sich, dass rund 30.000 Menschen – ca. 0.3 % der Gesamtbevölkerung – nach einer Corona-Infektion an der Nervenerkrankung Myalgische Enzephalomyelitis (ME) oder an einer dauerhaften schweren Erschöpfung, dem Chronische Fatigue-Syndrom (CFS), leiden.

Durch bessere Arbeitsschutzmaßnahmen, wie z. B. durch eine „Saubere Luft“-Gesetzgebung oder verpflichtende CO2-Messungen am Arbeitsplatz, mehr Long-/Post-Covid-Forschung und bessere medizinische Nachsorge könnte man mehr Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt halten als durch das Infragestellen von Teilzeitformen, die manchmal notwendig oder gewollt sind, wie z. B. Eltern-, Pflege- oder Altersteilzeit. Das scheinen die Lehren aus der Pandemie zu sein, wie die Leiterin der ORF-Wissenschaftsredaktion Elke Ziegler in ihrer Ö1-Beitragsreihe festhält.

Hoffen wir, dass aus den Lehren aus der Pandemie die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Sonst müssen wir als Lehrergewerkschaft über eine monatliche Gefahrenzulage nachdenken, denn die Innenraumluft ist nirgendwo sonst so schlecht wie in Schulklassen. Das wissen wir jetzt auch und leider zeichnet sich ab, dass etwa 1 von 10 Long-/Post-Covid Betroffenen allzu häufig nicht geholfen werden kann.

Nochmals aktualisiert am 3. März 2023 [HG]