von Timo Brunnbauer#
AI – die Älteren unter uns verstanden das als Abkürzung für Amnesty International, der 1962 gegründeten Menschenrechtsorganisation. Jüngere vor allem wissen, dass sich dahinter der Begriff Artificial Intelligence versteckt – die Künstliche Intelligenz. Diese umgibt uns umfassend: Ob wir uns Texte mit Google übersetzen lassen oder ob wir unserem Roboterstaubsauger anlernen, wo er gefälligst zu saugen hat.
Wir gingen davon aus, dass Roboter oder Programme das tun, was wir ihnen anlernen, also was wir programmieren (wobei wir bedeutet, dass es dafür ExpertInnen – oft despektierlich Nerds genannt – gibt, die das in mühevoller Arbeit erledigen). Dass sich das in den letzten Jahren auch zu ändern begann, ist uns oft gar nicht richtig bewusst. Wir sind alle miteinander längst nicht nur Nutzer, sondern auch Programmierer*innen geworden, ohne es vielleicht zu wollen.
Seit mehreren Jahren wird daran gearbeitet, Programmen selbständige Entscheidungen zu treffen anzulernen – Stichwort autonomes Fahren. Ein Ergebnis dieser Forschungen sind auch Programme bzw. Plattformen wie ChatGTP. Dabei handelt es sich um Programme, die aufgrund weniger Eingaben Textbausteine oder auch (mitunter noch holprige) Audiodateien erstellen. Diese Textbausteine sind teils nicht mehr von menschengemachten zu unterscheiden. Eine digitale Revolution, nichts weniger: Denn die Texte werden von Computern immer wieder neu generiert, diese Programme greifen nicht wie z.B. die Suchmaschine Google auf bereits vorhandene Quellen (in dem Fall: Homepages) zurück.
Das Startup OpenAI wurde 2018 gegründet – auch mit dem Geld illustrer Sympathieträger und Milliardäre namens Thiel oder Musk. Letztgenannter schied bald aus um selber einen Chatbot zu entwickeln. Heute ist das Startup OpenAI mit knapp 30 Milliarden US-Dollar das am besten bewertete in der noch jungen Geschichte dieser Unternehmensform.
DAS ENDE ALLER HAUSÜBUNGEN und SEMINARARBEITEN etc?
Das Programm ChatGTP der Firma OpenAI verspricht im Grunde nicht weniger als das. Schon jetzt ist das Programm fähig, eigene Textbausteine zu Themen zu formulieren und diese auch mit Quellen zu belegen. Das passiert zur Zeit auf hohem Niveau in der englischen Sprache, ist aber nur eine Frage der Zeit, bis das auch in Deutsch funktionieren wird.
Ein/e Schüler*in, ein/e Student*in ist somit in der Lage, so ein Programm eine Abhandlung zu einem bestimmten Thema machen zu lassen. Der Clou daran ist aber, dass ChatGTP individualisierte Antworten liefern kann. Schreiben mehrere Schüler*innen einen Text zum selben Thema und nutzen so einen BOT, kommt es zu verschiedenen Versionen. ChatGTP lernt mit jeder Userin, mit jedem Thema dazu und ist somit in der Lage, immer komplexere Antworten zu geben.
Jeder kann ChatGPT zur Zeit nach Anmeldung kostenfrei nutzen (an einer Premiumversion wird gebastelt). Der User, die Userin kann Texte erstellen, die sich eloquent und strukturiert lesen und von einem Journalisten oder einer Schriftstellerin sein könnten. Der Chatbot ist so gut, dass er an der US-Eliteuniversität Wharton das MBA-Examen bestehen würde – und zwar mit der Note „Zwei minus“, wie Professor Christian Terwiesch kürzlich in einer Studie schrieb. Die Erklärungen seien „exzellent“ gewesen. (Mehr dazu hier)
Das Potential des Programms ist noch längst nicht ausgeschöpft, längere Abhandlungen, die über das Format von Seminararbeiten hinausgehen, sind denkbar und. Masterthesen, Doktorarbeiten von einem Chatbot erstellen lassen? In Teilen jetzt schon kein Problem.
EINE ECHTE WENDE ODER SPIELWIESE?
Fest steht: Junge Menschen sind besonders aufgeschlossen für technologische Erneuerungen. Haben sie vor Jahren das System copy and paste für sich entdeckt, welches allerdings auch an den Lehrenden nicht spurlos vorübergegangen ist, werden Chatbots die pädagogische Arbeit nicht gerade leichter machen. Verhindern wird sich das nicht lassen. Was uns Lehrer*innen das Leben schwer machen wird, ist die Überprüfbarkeit der geschriebenen Texte: Was wurde von Lernenden selber verfasst, wo wurde auf Quellen zurückgegriffen, was haben Programme generiert?
Dass es wie beschrieben passieren wird, ist im Grunde gar keine Frage. Noch ist der Zugang mit einigen, auch sprachlichen, Hürden verbunden. Es wird in absehbarer Zeit allerdings ganz einfach werden, sich Texte mittels AI verfassen zu lassen: Der größte Softwareentwickler Microsoft möchte ChatGTPs in seine Programme direkt integrieren. Damit wird es noch einfacher, auf computerbasierte Textbausteine zuzugreifen.
Hinweis für Musiklehrer*innen: Eine musikalische Version des ChatGTP Universums gibt es neuerdings von Google. Dabei generiert das Programm, aufbauend auf Versatzstücken, ein eigenes Lied. Die dürftigen Ergebnisse, weit weg von der Qualität eines handgeschnitzten Songs, gibt es hier nachzuhören.
Wie wir Lehrer*innen mit dieser Entwicklung umgehen werden müssen, präzisierte vor vielen Jahren der Computerpionier und Schriftsteller Stewart Brand:
„Once a new technology rolls over you, if you’re not part of the steamroller, you’re part of the road.”
#Für den Text völlig unverantwortlich der vermeintliche Autor, wir danken dem Chatbot der OELI-UG für das Verfassen.
Weitere Informationen hier:
STANDARD, 28.1.23
STANDARD, 29.1.23
BR24, 12.12.2022
OpenAI: zum selber ausprobieren (Anmeldung errforderlich – dann Frage eingeben, z.B.: what are onions?):
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