Die Zahl an Expert:innen steigt, die ein Kind beobachten, testen, um dann die Klassenlehrer:innen zu beraten und oft zu „selektieren“. Gleichzeitig sinkt aufgrund von Einsparungen ständig die Zahl der Lehrer:innen, die die Schüler:innen bestmöglich fördern, wie auch die Gruppe der Wiener Stützlehrer:innen. Während ab 1982 ca. 100 Stützlehrer:innen in Wien beschäftigt waren, sind im Schuljahr 22/23 nur mehr 30 Kolleg:innen als Stützlehrer:innen an Volksschulen tätig. Auch im kommenden Schuljahr werden wieder keine Pensionierungen (ca. 7 Kolleg:innen) nachbesetzt. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis die Zahl bei null ist.
Das Stützlehrer:innenmodell ist im Wiener Schulgesetz (§7, 2) verankert und hat gewachsene, bewährte Strukturen und ein klar umrissenes Betätigungsprofil. Die Modellbeschreibung beinhaltet auch die ständige Betreuung zweier Schulen. (https://stuetzlehrerinnen.schule.wien.at)
Die Präventive Förderung von Kindern mit unterschiedlichen Lernschwierigkeiten durch die Entwicklung und Erstellung individueller Übungsangebote über einen längeren Zeitraum steht im Mittelpunkt der Arbeit der Stützlehrer:innen. Diese präventive Arbeit soll unter anderem den Ausgleich von Benachteiligungen gewährleisten. Das bewirkt eine Verhinderung von Klassenwiederholungen, vor allem aber die Vermeidung bzw. Verringerung von Sonderpädagogischem Förderbedarf.
Im Sinne der Inklusion sollte dieser Aufgabenbereich mehr Gewicht und daher auch die nötigen Ressourcen erhalten! Aber genau das Gegenteil geschieht: Die Zahl der Stützlehrer:innen wird nicht erhöht und somit können benachteiligte Schüler:innen nicht in ausreichendem Maß präventiv gefördert und weiterhin nach dem Volksschullehrplan beurteilt werden. Die wenigen verbliebenen Stützlehrer:innen werden fast nur mehr für ihr zweites Aufgabengebiet, das Unterrichten und Beurteilen von Kindern mit festgestelltem Sonderpädagogischen Förderbedarf nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule (früher: max. zwei Unterrichtsgegenstände) eingesetzt.
Aber auch diese Ressourcen werden nicht mehr zwingend zur Verfügung gestellt.
Daraus folgt: Schüler:innen mit einer Lernbehinderung (laut Rechtlicher Beurteilung eines Bescheides der BD: „…konnte gegenständlich festgestellt werden, dass eine nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung vorliegt, die als Behinderung iSd § 8 Abs. 1 SchPflG zu beurteilen ist, aufgrund derer das Kind dem Unterricht ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag.“)
haben keinen Anspruch auf eine zusätzliche Förderung, aber sie verbleiben in der Klasse, obwohl es weiter in der rechtlichen Beurteilung heißt:
„Auf Basis dieser Feststellung wurden in weiterer Folge – ebenfalls auf Grundlage der eingeholten Gutachten –mit dem Bestreben, dass das Kind die bestmögliche Förderung erhält, der zu unterrichtende Lehrplan und die zu besuchende Schule iSd §§ 8a und 8b SchPflG festgelegt.“
Das heißt, Schüler:innen mit einem Sonderpädagogischen Förderbedarf (Beurteilung nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule) verbleiben zwar in Volksschulklassen mit einer Volksschullehrer:in ohne zusätzlicher Förderung.
NEU und erschwerend dabei ist, dass der Sonderpädagogische Förderbedarf jetzt meist eine Beurteilung nach dem Lehrplan der Allgemeinen Sonderschule in ALLEN Gegenständen zur Folge hat.
Obwohl den Kindern laut Bescheid bestmögliche Förderung zusteht, sollen diese Schüler:innen von der Klassenlehrer:in wie alle anderen Schüler:innen nur differenziert unterrichtet werden. Sie haben weder durch eine Stützlehrer:in noch durch eine andere Sonderpädagog:in eine Unterstützung. Dies hat nichts mit dem sonderpädagogischem Unvermögen einer Volksschullehrer:in zu tun, sondern ist aus zeitlichen und organisatorischen Gründen in einer Klasse mit oft mehr als 25 Schüler:innen nicht umsetzbar.
Somit werden die betroffenen Schüler:innen wohl kaum kontinuierlich gefördert, was ihnen den bestmöglichen Bildungsabschluss garantieren würde.
Wie schon oft bewiesen, hängt der Bildungserfolg eines Kindes in Österreich immer noch oder immer mehr in erster Linie vom Einsatz der Eltern ab. Die Unterstützung dieser Eltern fehlt aber sehr oft, da es häufig Familien betrifft, die entweder nur wenig Kenntnis über die österreichischen Bildungseinrichtungen haben oder denen das Selbstbewusstsein fehlt, um auf dem Recht zur Förderung ihrer Kinder zu bestehen.
Ist das die Inklusion, die keine defizitorientierte Pädagogik fördert und mehr Chancengerechtigkeit garantiert?
Inklusion sollte
- die Ressourcen bündeln, um alle Kinder nach ihren Bedürfnissen zu fordern und zu fördern, unabhängig vom sozialen Status und ohne zusätzliche Etikettierung.
- Wenn schon ein sonderpädagogischer Förderbedarf bescheidet wird, dann ist eine kontinuierliche Förderung über einen längeren Zeitraum unabdingbar.
Beides scheint momentan am Weg zur Inklusion keine Berücksichtigung zu finden. Auch die Mittelschule ist von solchen Problemen betroffen.
Wer kann diesem kontraproduktiven Sparmodell Einhalt gebieten?
Hinterlasse einen Kommentar