Übersetzt von: Marlene Fleißig, Astrid Gravert, Gabriele Würdinger, Maria Zettner
512 Seiten, Hardcover
mit 317 Abbildungen (s/w und f)
Piper 2022
€ 32,90
ISBN 978-3-492-05944-2
Die Autorin entdeckte 2015 als 21-jährige, dass in der von ihr besuchten Ausstellung kein Werk von einer Frau präsentiert war. Diese Erfahrung machen Menschen immer wieder, obwohl auf diesen Sexismus bereits die Gorilla Girls 1985 in N.Y. aufmerksam machten und nach wie vor tätig sind, weil immer noch keine Gleichberechtigung im Kunstbetrieb gegeben ist (https://www.guerrillagirls.com/).
In Wien fand 1985 Kunst mit Eigen-Sinn, eine bahnbrechende internationale Ausstellung, von VALIE EXPORT statt, in der aktuelle Kunst von weltweit bekannten wie auch unbekannten Künstlerinnen gezeigt wurde (https://www.mumok.at/de/blog/kunst-mit-eigen-sinn-aktuelle-kunst-von-frauen).
Auch wenn es mittlerweile viele Einzelausstellungen von Künstlerinnen gibt wie Frida Kahlo (2010 Kunstforum, Wien), Paula Modersohn-Becker (2010 Kunsthalle Krems), Georgia O’Keeffe (2017 Kunstforum Wien), Eva Hesse (2020 MUMOK) u.a. oder Künstlerinnen in Themenausstellungen wie Marina Abramović (2013 MQ Wien), Käthe Kollwitz (2023 Albertina) etc. und auch das Thema selbst immer wieder aufgegriffen wird wie z.B. 2017 Frauen in der Kunst am Weltfrauentag im Belvedere (https://www.belvedere.at/sites/default/files/jart-files/PM-Weltfrauentag-de.pdf), auch wenn immer mehr Museen Werke von Künstlerinnen an kaufen, auch wenn sich mittlerweile Bewusstsein und Wertschätzung für Kunst von Frauen entwickelt haben, auch wenn die von Cecilia Alemani kuratierte Venedig-Biennale 2022 mehr als 90% weibliche bzw. nicht genderkonforme Positionen zeigte (https://www.labiennale.org/en/art/2022/statement-cecilia-alemani), so muss noch immer vieles im Kunstbetrieb mit Fokus auf Künstlerinnen geschehen!
Nach wie vor sind Publikationen über Künstlerinnen und ihre Werke überschaubar. Nennen möchte ich das Buch Die Malweiber, Unerschrockene Künstlerinnen um 1900 von Katja Behling und Anke Manigold (Insel Verlag 2013 und 2022) sowie Die Künstlerinnen, Werke aus fünf Jahrhunderten von Susie Hodge (Laurence King Verlag, Berlin 2020) und 50 Künstlerinnen, die man kennen sollte von Christiane Weidemann, Petra Larass, Melanie Klier (Prestel 2019).
Katy Hessel, geb. 1994, legt mit ihrem Buch The Story of Art without Men ein weiteres wichtiges vor. Sie studierte Kunstgeschichte in London, arbeitet als Kuratorin und wurde eigeninitiativ mit @thegreatwomenartists, wo sie Künstlerinnen porträtiert. Ihre Kolumne The Great Women’s Art Bulletin erscheint im Guardian.
In ihrem Buch zeigt die Autorin sowohl die Bedeutung der Künstlerinnen auf als auch wie und wie sehr sie die Kunst prägten und Künstler beeinflussten.
Die Struktur des Buches ist nicht nach Epochen ausgerichtet, sondern hat fünf Teile: Wegbereiterinnen, Das Moderne an der Kunst, Nachkriegsfrauen, Inbesitznahme, die Kunstgeschichte wird weitergeschrieben. Die insgesamt 18 Kapitel geben eine gute Orientierung. Ihnen angeschlossen sind ein Glossar, eine Chronik, Anmerkungen, eine Bibliografie sowie ein Register. Das Layout ist ansprechend.
Allem voran stellt Hessel das Zitat von Artemisia Gentileschi aus dem Jahr 1649: Ich werde euch zeigen, was eine Frau fertigbringt.
Damit klingt bereits an, dass Hessel gesellschaftspolitische und sozialen Aspekte mit einbezieht. Zitate der Künstlerinnen machen deren Persönlichkeit sichtbar. Fotografie, Performancekunst, Installationen wie auch experimentelle Techniken und interdisziplinäre künstlerische Auseinandersetzungen werden beachtet und mit klarer Sprache verständlich und nachvollziehbar beschrieben. Die Abbildungen sind gut ausgewählt.
Hessel warnt am Ende, nicht zu meinen, dass ein Trend vorliegt, Frauen ihren Platz zuzugestehen. Verstärkt muss darum gekämpft werden, dass unterrepräsentierte Künstlerinnen Mentorinnen, Stipendien und Preise bekommen, Sichtbarkeit und finanziell abgesicherte Arbeitsräume. Sie weiß, dass sie die Geschichte der Künstlerinnen nicht fertig erzählt hat und diese immer wieder neu, erweitert und umgeschrieben werden muss. Hessel hat ihren wertvollen Beitrag geleistet, das westliche männliche Narrativ, das zu Unrecht die Kunstgeschichte beherrscht, aufzulösen.
Dieses Buch, das 500 Jahre Frauenkunst auf 500 Buchseiten umfasst, ist für alle Interessierte mit oder ohne vertieftes Kunstwissen sehr gut lesbar.
Mit diesem Wissen über Künstlerinnen ausgestattet, wird der Blick in der nächsten Ausstellung und auf die Kunstwelt ein anderer sein.
Auch Kunstunterricht wird sowohl von Lehrer:innen als auch Schüler:innen anders gestaltet und diskutiert werden.
März 2023
Ilse M. Seifried, MA
https://www.i-m-seifried.at
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