Offener Brief eines parteiunabhängigen Gewerkschafters auf den sehr persönlichen Kommentar des Vorsitzenden der
AHS-Gewerkschaft in der GÖD*, der weder für die österreichischen Lehrer*innen noch für Gewerkschafter*innen
repräsentativ ist. von Reinhart Sellner
Lieber Eckehard Quin,
Zynismus ist deine Sache nicht, eher Ignoranz. Du schreibts deine Wahrheit, „mit aller Härte“ und der dir eigenen Überheblichkeit, und weil es deine Wahrheit ist, kommt sie im
Majestätsplural daher, der keine Widerred zulassen will. Aber Flüchtlinge sind keine Urlauber*innen, die es geschafft haben, sie kommen nicht freiwillig. In Syrien herrscht Krieg, wird
Krieg geschürt, Regional- und Großmachtpolitik. Kein Menschenrecht auf Leben gibt es derzeit in Syrien, sondern über 10.000 Kriegstote, Monat für Monat. In den überfüllten Flüchtlingslagern
außerhalb Syriens fehlt es der UN-Flüchtlingshilfe an überlebensnotwendigen Hilfsmitteln und Hilfsgeldern, weil Beiträge von reichen Ländern austeritätspolitisch gekürzt oder – Beispiel
Österreich – nicht rechtzeitig ausgezahlt werden (während gleichzeitig Bankenpakete problemlos bedient werden).
Das Menschenrecht auf ein menschenwürdiges Leben haben die Flüchtlinge in ihren Heimatländern nicht, in den Flüchtlingslagern ist immer weniger gegeben.
Wer sich „unseren„/deinen Regeln und „unseren“ restriktiven Asylgesetzen nicht beugen will, der soll möglichst rasch unsere schöne Heimat verlassen
müssen.
Österreich ist nicht nur, aber auch dank „unserer“ Gesetze und Überzeugungen ein friedliches und wohlhabendes Land für die Menschen, die schon lange hier leben, und für die Menschen, die hier
eine neue Heimat finden, weil sie sich „unseren“ Regeln beugen. Aber für Menschen, die „unsere“ Gesetze und deine Überzeugung nicht teilten, für diese Menschen würde es, wenn´s nach dir,
nach anderen ÖVP-Politiker*innen und nach der FPÖ gehen sollte, keine Toleranz – mit voller Härte.
Solidarität mit den Flüchtlingen und ihren Helfer*innen in Österreich – den Freiwilligen, den Polizist*innen, Lehrer*innen, Sozialarbeiter*innen, Ärzt*innen, Krankenpflegere*innen,
Bundesbahner*innen, Journalist*innen, Kolleg*innen in den Gewerkschaften des ÖGB, auch allen Politiker*innen, die keine fremdenfeindliche Wahlkampfe schüren, sondern für die notwendige
Verbesserung gesetzlicher und finanzieller Rahmenbedingungen arbeiten! Solidarität mit einer gemeinsamen Friedenspolitik der Vereinten Nationen, die macht- und wirtschaftspolitische Alleingänge
ablösen und eine gemeinsame UN-Friedenspolitik wiedergewinnen kann, ohne die es keine lebenswerte Zukunft gibt, für niemanden! (vgl. Kommentar der anderen , 21. September 2015, Jeffrey Sachs,
Earth Institute Columbia University – Syien-Lösung kann nur der UNO gelingen)
Reinhart Sellner,
Vertreter der Unabhängigen Gewerkschafter*innen im Vorstand der GÖD und in der AHS-Gewerkschaft
ps: Wenn du meinst, dein Kommentar widerspräche nicht den Prinzipien einer sinnvollen Integration, enthielte nicht eine pauschale Kriminalisierung und falsche Unterstellungen gegenüber
Flüchtlingen, weil der Standard ihn heute abgedruckt hat, dann ignorierst du die Tatsache, dass die im Standard unter „Kommentar der anderen“ geäußerte Meinung der Kommentator*innen, nicht
die der Redaktion ist.
*Der Kommentar von E. Quin ist auf derstandard.at nicht mehr abrufbar, „da der angeforderte Inhalt nicht länger
bereitgestellt wird und dauerhaft entfernt wurde“. Eine Kopie zum Download im Anhang.
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