Von Andreas Chvatal

 

Ich bin Lehrer von zwei wunderbaren und in jeder Hinsicht großartigen Schülerinnen, die heuer wegen MIKA sitzenbleiben werden und eine Klasse verlassen
müssen, der sie sehr gut getan haben und die ihnen sehr gut getan hat.

Der MIKA-D Test ist ein Symptom angewandten Rassismus. Er zielt darauf ab, eine kleine Gruppe zu sekkieren, nämlich jene der Schülerinnen und Schüler, die noch nicht Deutsch können, weil sie erst
kurz in Österreich sind. Die Erkenntnis außer Acht lassend, dass Kinder normalerweise in ihren ersten zwei Jahren ausreichend Deutsch lernen, wenn sie nicht sekkiert werden, entschloss sich die
Bundesregierung, vertreten durch Minister Faßmann loszuschlagen, um den Neuankömmlingen, die, wie der Vizekanzler schon vor Jahren darlegte, allesamt Wirtschaftsflüchtlinge seien, die Ankunft so
unangenehm wie möglich zu machen. Die offizielle Alpenrepublik empfängt diese Menschen mit einem herzhaften: “Schleicht‘s eich wida!“

Dieser freundliche, von  einer  Partei, die sich auf christliche Wurzeln beruft, mitgegrölte Gruß, schallt jedoch ins Leere. Die neu Angekommenen sind Probleme ganz anderer Dimensionen
gewöhnt. Jemand, der mit seinem nackten Leben auf einer geschlossenen Route ein Land erreicht hat, wo sie/er menschenwürdige Lebensbedingungen vorfindet, ist schon zufrieden, dass er nicht in
Orbanien gelandet ist. Doch es wären nicht die neuen, rechten Rudermänner der Alpenrepublik, hätten sie nicht im Nu einen Weg gefunden, wenigstens einen Teil der Neuankömmlinge ordentlich zu
nerven, nämlich all jene, die Eltern von schulpflichtigen Kindern sind. Sie müssen erleben, wie ihre Kinder vom Beginn ihrer Schullaufbahn in Ö an einem völlig unnötigem Druck ausgesetzt werden.
Es kann keinen Zweifel  geben,  dass er, der die Balkanroute im Alleingang schloss, seiner Wählerschaft Maßnahmen wie den MIKA Test als Lösungsansatz für die Probleme in der Integration
verkaufen wird. Das Abwatschen von Kindern und Jugendlichen mit einer standardisierten Überforderung, als erster Schritt zur Beseitigung rückschrittlicher sozialer Strukturen, religiösem
Fanatismus und latenter Gewaltbereitschaft? Wer‘s glaubt, wählt Kurz und Konsorten.

Noch existiert  in  der  Alpenrepublik ein beträchtlicher Bevölkerungsanteil, der der derzeitigen Regierung gegenüber eine ablehnende Position einnimmt. Selbst wenn davon auch noch
die Sympatisant*innen der Neos und jene der Liste Pilz subtrahiert werden, bleibt eine erkleckliche Restmenge an Sozialdemokratie, Restgrünen und Parteiunabhängigen, die eigentlich gegen oben
erwähntes Geschwurbel von Seiten der Regierung auftreten und den MIKA Test als das kritisieren müssten, was er ist: Ausdruck einer blindwütigen aber hilflosen politischen Suche nach einem
Schwachen, der sich nicht dagegen wehren kann, beschuldigt zu werden. Doch nichts dergleichen geschah. Niemand trat auf, niemand kritisierte.
Auch der Verfasser dieser Zeilen tat dies nicht. Oder eigentlich tat er es schon, wählte jedoch den dafür denkbar ungünstigsten Ort, die Wüste.

„Auch schon egal!“, dachte er angesichts der dortigen Leere und begann zu rufen, oder eigentlich zu lesen, denn er hatte seine Kritik am MIKA Test fein
säuberlich aufgeschrieben in Form eines Artikels. „Guter Artikel!“, sagte die Wüste und der Verfasser bedankte sich, um wenig später den Heimweg anzutreten.

Er hatte kein gutes Gefühl die ganze Zeit. Und wirklich! Nach seiner Rückkehr aus der Wüste erfuhr der Verfasser, dass sich eine Reihe von Lehrkräften über den MIKA Test beschwert hatten.
Schulleitungen würden unter sträflicher Nichtbeachtung des C-Topfes, Lehrer*innen für die Ausbildung als MIKA Tester*in einteilen. Eine Regelung der Durchführung des einigermaßen aufwändigen
Tests sei nicht in Sicht. Enttäuscht nahm man zur Kenntnis, dass weder die Ausbildung für, noch die Durchführung von MIKA MDLgenerierend sein wird.

„Warum tun mir die Beschwerdeführer*innen alle überhaupt nicht leid?“ fragte sich der Verfasser. „Muss wohl an der Wüste liegen.“