Stellungnahme der Plattform für Chancengleichheit zum ÖNORM-Entwurf A 1080:2014 („geschlechtergerechte Sprache“) 24.03.14

 

Anlässlich des aktuellen Vorstoßes des privaten Vereins „Austrian Standards“ (vorheriges Normungsinstitut“) über seinen Entwurf zur ÖNORM A 1080:2014 männliche Herrschaftsverhältnisse in der
österreichischen Gesellschaft zu stärken, formuliert die Plattform für Chancengleichheit folgende Stellungnahme:

Der neuerliche Versuch über eine vermeintlich sachlich-grammatikalische Argumentation, die gendergerechte Formulierung in Österreich abzuschaffen, kann nur als leicht durchschaubarer Akt zur
Verfestigung bestehender Herrschaftsverhältnisse und als gewollter Rückschritt in Sachen Gleichbehandlung gewertet werden. In wie fern das Betreiben von Gesellschaftspolitik Aufgabe eines
Normungsinstituts ist, sei dahin gestellt.

Inhaltlich ist neben der Absurdität der Argumentation auf einen Kernpunkt einzugehen:

Die Annahme, dass eingeschlechtliche Angaben ein Grundmerkmal in der Grammatikstruktur der deutschen Sprache seien und „unsere Sprache seit jeher über die Möglichkeit verfügt, mit Hilfe
eingeschlechtlicher Angaben beide Geschlechter anzusprechen“ ist keine sachliche, sondern eine zutiefst politische Aussage. Unterstrichen wird dies dadurch, dass die eingeschlechtliche Angabe
hier auf die männliche Form bezogen wird.

Sie zielt darauf ab, dass die Sprache als Ausdruck einer gesellschaftlichen Realität wieder männlich dominiert wird. Das angeführte Argument, Frauen werden „gedanklich mitgemeint“ und damit eine
vermeintliche Neutralität hergestellt, zeigt deutlich die Stoßrichtung. Der

gedankliche Einbezug erscheint nicht geeignet als Normierungsinstrument.

Im Entwurf wird behauptet, dass Hauptwörter für Lebewesen ein natürliches Geschlecht hätten. Damit stehen wir in einem vergangenen gesellschaftspolitischen Jahrhundert. Dies ist nicht nur
Ausdruck eines überholten Modells der Betrachtung von Geschlechterfragen und gesellschaftlichen Konstrukten, sondern auch zutiefst ausgrenzend, vor allem gegenüber Transgender Personen.
Eigentlich sind wir schon viel weiter: Um Menschen, die sich als trans*geschlechtlich oder intersexuell definieren, sprachlich zu inkludieren, wird in der gendergerechten Schreibweise der
Unterstrich oder der Stern verwendet (z.B. Leser_innen oder Leser*innen). Daher sollten Normen in dieser Frage eher erweitert werden.

Sprache schafft Realität, männliche Sprache schafft männliche Realität.

Als Beispiel sei hier der Bereich der Berufsbezeichnungen angeführt. Unbestritten ist es in Österreich so, dass bestimmte Berufe in der Regel in der männlichen und andere Berufe in der weiblichen
Form genutzt werden. Diese Handhabung zeigt eine Hierarchie, reden wir doch von dem Geschäftsführer und von der Putzfrau.

Noch deutlicher wird die mangelnde Neutralität am Begriff des Sekretärs und der Sekretärin deutlich. Abgesehen von einem Möbelstück wird mit einem Sekretär im Sprachverständnis ein leitender
Posten in einer bestimmten Organisationsstruktur assoziiert. Als Sekretärin werden administrative Kräfte verschiedener Zweige der dualen Ausbildung oder Anlernkräfte bezeichnet. Sprache ist nicht
neutral, sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Realität. Geschlecht ist nicht neutral, sondern Gegenstand einer Vielzahl von gesellschaftlichen und sozialen Zuschreibungen.

 

Kontakt und Rückfragen unter:

Ulli Stein, 0680-1262146; ulrike.stein@nachhaltig.at

Ernst Eigenbauer, (01-)40400-6695; ernst.eigenbauer@nachhaltig.at

 

Unterzeichner_innen für die Plattform für Chancengleichheit:

Ernst Eigenbauer, Betriebsrat Allgemeines Universitätspersonal, Medizinische Universität Wien

Andrea Ellmeier, Koordinatorin für Frauenförderung und Gender Studies, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Traude Kogoj, Diversitybeauftrage, ÖBB

Veronika Litschel, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Österreichischen Instituts für Berufsbildungsforschung (öibf)

Doris Löffler, Abteilung für Genderangelegenheiten, Universität für Angewandte Kunst

Katharina Mallich-Pötz, Personalentwicklerin an der Medizinischen Universität Wien

Melitta Matousek, Maezenatentum.at – Forschungstransfer in Wissenschaft und Kunst, Vorstand-Stellvertreterin und Kassierin

Juliane Mikoletzky, Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen, Technische Universität Wien

Gertraud Oberzaucher, Genderbeauftragte AustriaTech (Gesellschaft des Bundes für technologiepolitische Maßnahmen)

Brigitte Ratzer, Leiterin der Abteilung Genderkompetenz, Technische Universität Wien

Wolfgang Renner, Mitglied der Plattform für Chancengleichheit

Angelika Silberbauer, Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen, Universität für Musik und darstellende Kunst Wien

Ulli Stein, Mitglied im Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen, Medizinische Universität Wien

Sandra Steinböck, Gleichstelllungsexpertin, Medizinische Universität Wien

Hilde Stockhammer, Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen im AMS

 

Die „Plattform für Chancengleichheit“ ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Expert_innen aus

Universitäten, Forschungseinrichtungen und staatsnahen Unternehmen