Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein präsentierte heute im Nationalrat ihre Regierungserklärung und skizzierte darin ihr Amtsverständnis, das auch die Grundlage der gesamten Regierung sein wird: Die
neue, nicht direkt gewählte Regierung müsse „kein Wahlprogramm abzuarbeiten“ und habe „keine Versprechen einzulösen“. Diese Regierung werde versuchen, „das Vertrauen der Menschen in diesem Land
zu gewinnen“. Deshalb wolle man Stabilität und Sicherheit gewährleisten, sparsam sein und „auf tagespolitisches Kalkül verzichten“.

 

Wenig Gestaltungsspielraum für die Regierung ….
In ihrer Rede vor dem Nationalrat stellt Bierlein erneut klar, dass die Handlungsfähigkeit und alle Dienstleistungen für die Bürger garantiert werden müssen. Der Gestaltungsspielraum für die
Regierung sei unbedeutend und auch nicht gefragt. Für eigene Initiativen sei nur Platz, wenn es darum gehe, die Republik vor Schaden zu schützen.

… mehr demokratischer Raum für Abgeordnete im Nationalrat
Bierlein hob, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, die Bedeutung des Parlaments hervor. Die Regierungsmitglieder „respektieren die besondere Verantwortung“ der gewählten
Abgeordneten, sagte Bierlein in ihrer Rede vor den Nationalratsabgeordneten. Die Regierung werde die Beschlüsse der Angeordneten nach „bestem Wissen und Gewissen“ vollziehen.
So soll es bitteschön auch sein in einer modernen parlamentarischen Demokratie. In der aktuell sensiblen politischen Situation und weil die Regierungsmitglieder nicht direkt gewählt sind, mag es
durchaus der richtige Weg für die Übergangsregierung sein, sich auf das Verwalten und Gesetze vollziehen zu konzentrieren. Deshalb sind gerade jetzt die gewählten Abgeordneten im Nationalrat
gefordert. Sie müssen jetzt positive Maßnahmen für die Menschen in diesem Land zu setzen, den neu gewonnen demokratischen Spielraum nutzen. Wann, wenn nicht jetzt?

Beengter Gestaltungsspielraum auch für Bildungsministerin Rauskala
Alleingänge einzelner Minister*innen darf man sich nach den bisherigen Stellungnahmen der Bundeskanzlerin nicht erwarten. Sie werden sich an die Vorgaben halten, weil jede Eigeninitiative der
Übergangsregierung von irgendeiner Partei als parteipolitisch und/oder ideologisch geprägt kritisiert wird. Die geplante, im Bundeskanzleramt zentral gesteuerte Message Control für die gesamte
Regierung wird auch garantieren, dass kein Regierungsmitglied vom markierten Weg abweichen kann.
Ein erstes Beispiel dafür, wie eng sich die Regierung ihren politischen Gestaltungsspielraum festlegt, bot uns Bildungsministerin Rauskala. Nachdem die ÖLI-UG die Abschaffung der verpflichtenden
Ziffernbenotung auch in den Volksschulen, die separierten Deutschförderklassen, die MIKA-D Testungen, den Schulschwänzerparagraphen und die Time-Out-Gruppen forderte und in der Folge auch
Kimberger als oberster Lehrergewerkschafter sich öffentlich gegen Deutschklassen und Ziffernnoten aussprach, bestimmte die Ressortchefin, dass sowohl die sogenannten Time-out-Gruppen für
Problemschüler kommen, die separaten Deutschklassen bleiben und die MIKA-D Testungen im Herbst wie geplant vermehrt durchgeführt werden.
Den Mahnungen von namhaften Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen bezüglich der katastrophalen Auswirkungen dieser Maßnahmen wurde sichtlich nicht jene Aufmerksamkeit zuteil, um zu erkennen,
dass sie alles andere als zum Wohle der Republik sind. Also sehr wohl das Potential haben, um, laut Bierlein, eigene Initiativen einbringen zu können. Aber man konzentriert sich lieber auf
Verwalten und Gesetze vollziehen. Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass die Übergangsregierung, die von der türkisblauen Regierung beschlossenen Maßnahmen urteilslos umsetzen wird. Nicht nur
im Bildungsbereich. Deshalb sind jetzt die Parlamentarier*innen  mehr denn je gefordert.

ms