An erster Stelle ist es unser Anliegen, die zahlreichen positiven Erfahrungen mit unseren neuen MitbürgerInnen aufzuzeigen. Vor allem geht es uns um einen differenzierten Blick hinsichtlich des
Verhaltens, der Schadlosigkeit, des täglichen Engagements und der Leistungsbereitschaft der Betroffenen an unserem Institut. Sie zeichnen sich in vielen Fällen auch durch vorbildliche
Verlässlichkeit und Einsatz über die geforderten Aufgabenstellungen hinaus aus. Die gewissenhafte Erledigung der gestellten Aufgaben und die freiwillig wahrgenommen Angebote zeigen ein eifriges
Arbeiten an Integration und Erfolg in den gewählten Fachrichtungen. Die Freude am Lernen und der Integrationswille wirken sich ebenso positiv auf ganze Klassenverbände und die
Schulgemeinschaft aus. Nicht zuletzt sind es die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft unserer neu hinzugekommenen SchülerInnen, die uns immer wieder besonders bereichern. Gleichzeitig wirken sich
Abschiebe- bzw. Fluchtfälle, wie die beiden oben genannten, verstörend und schockierend auf unsere SchülerInnen in der Klassengemeinschaft aus.


Dabei ist es uns ein Bedürfnis, darüber zu informieren, dass unsere Leistungen jahrelanger Integrations- und Bildungsarbeit für unsere Gesellschaft mit der aktuellen Vorgehensweise gegen
MigrantInnen erheblich erschwert und wie in den oben genannten Beispielen zunichtegemacht werden. Wir haben viel Mühe, Zeit und auch Liebe in diese SchülerInnen gesteckt. Ihr soziales
Engagement zeigt sich nicht nur in den Bildungseinrichtungen, sondern auch in den dörflichen Gemeinschaften: Unsere SchülerInnen erweisen sich als sozial eingebettet, ganze Ortschaften kümmern
sich ebenso aktiv um ihre Integration. So kommen beispielsweise Nachbarn oder engagierte „Eltern auf Zeit für junge Asylwerbende“ mit zum Elternsprechtag, um den jungen Menschen bei ihrer
Ausbildung zur Seite zu stehen.


Wir sind davon ausgegangen, dass unsere mühevolle Bildungs- und Integrationsarbeit, die wir in die Zukunft der nachkommenden Generationen investieren, gewürdigt wird und halten es für sinnvoll,
dass unsere Einschätzungen und das Engagement unserer SchülerInnen in die laufenden Asylverfahren miteinbezogen werden. Aufgrund dessen und der vielfachen außertürlichen Leistungen von uns
LehrerInnen und SchülerInnen wünschen wir uns entsprechende Achtung und
Berücksichtigung in den Verfahren gegen dieselben. Diese Werte wie beiderseitige Integrationsbemühungen, Engagement und Leistungsbereitschaft sollten letztlich im Sinne des gemeinsamen
Zusammenhalts unserer Gesellschaft und Gemeinschaft gültig sein. Es ist verantwortungslos und ökonomisch sinnlos (Stichwort Lehrlingsausbildung in den sogenannten Mangelberufen), intelligente
junge Menschen, die ihren Weg in unserem Schulsystem aber auch in die Wirtschaft in den Gemeinden Oberösterreichs bereits vorbildhaft gemeistert haben, des Landes zu verweisen. Der
wirtschaftliche Faktor dieser Investition in die Bildung unserer neuen MitbürgerInnen, die auch wieder der Gemeinschaft zu Gute kommen soll, darf nicht übersehen
werden. Bar jeder Verantwortung ist einerseits die Missachtung des Menschenrechts auf Leben, andererseits die daraus resultierende fehlende Würdigung der Leistungen unserer Wertegemeinschaft hier
vor Ort.


Hinweisen möchten wir auch darauf, dass diese politische Praxis, junge Menschen auszuweisen und abzuschieben, ausgrenzt und stigmatisiert und auf diesem Wege Probleme verstärkt oder erst
generiert. Des Weiteren führt diese Unmöglichkeit, ein würdiges Leben zu gestalten, zu Illegalität, zu Obdachlosigkeit, bis hin zum bewusst in Kauf genommenen Tod von Menschen im
„Herkunftsland“, in das abgeschoben wird. Wenn man Afghanistan als „sicheres Herkunftsland“ betitelt, handelt es sich dabei letztlich um Zynismus und Menschenverachtung. Wesentlich scheint es uns
in diesem Zusammenhang in erster Linie auf die lebensgefährlichen Bedingungen in diesem Staat hinzuweisen. Mord, Folter, Bombenanschläge und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind, wenn man die
Hintergründe des Kriegsschauplatzes der letzten Jahre und Jahrzehnte kennt, bis
heute gang und gäbe. Allein die 28.529 Sicherheitskräfte, die seit 2015 in Afghanistan getötet wurden, sprechen für sich und zeigen die nicht gegebene Sicherheitslage vor Ort (Standard,
17.11.2018). Diese Praxis des Menschseins, noch dazu des Umgangs mit unseren eigenen SchülerInnen in Braunau am Inn, können und wollen wir nicht gutheißen.


Die derzeitige Abschiebepraxis entspricht nicht den ethischen oder christlichen Standards unserer Institution. Wir tolerieren weder durch Schweigen noch durch Duldung die Vorgangsweise gegen
unsere bei uns integrierten SchülerInnen. Unser tägliches humanistisches und auf den Wert der Menschlichkeit ausgerichtetes Wirken als LehrerInnen steht im krassen Gegensatz zur derzeitigen
staatlichen Praxis im Umgang mit Flüchtlingen und Asylwerbern. Diese Ausrichtung des Handelns und Tuns können wir als PädagogInnen an der HTL Braunau weder gutheißen noch unterstützen, geschweige
denn in irgendeiner Form mittragen. In diesem Sinne appellieren wir für ein fortgesetztes Inkrafttreten des humanitären Bleiberechts und für einen menschenwürdigen Umgang im Zusammenhang mit Asyl
und Integration in Österreich. Letztlich sehen wir uns auch in der
Pflicht, dem historischen Gedächtnis und der geschichtlichen Verantwortung der Stadt Braunau am Inn als rechtschaffene StaatsbürgerInnen gerecht zu werden.

Evelyn Bernadette Mayr und Eva Mitterdorfer
DAF- und DeutschlehrerInnen
Osternberger Straße 55
5280 Braunau am Inn
Braunau, am 12.1. 2019

An: Christian Konrad, Thomas Stelzer, Manfred Haimbuchner, Birgit Gerstorfer, Rudi Anschober, Eva Schobesberger, OÖN, SN, Presse, Standard, Krone, Tipps, Braunauer Warte, Kurier, Wiener Zeitung,
Falter, Diözese Linz, Caritas, evangelische wie katholische Kirche