Reinhart Sellner,

Vertreter der Unabhängigen GewerkschafterInnen (UG) in der
Bundeskonferenz, dem Zentralvorstand der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD)

 

Österreichische Bildungspolitik: Alles bleibt
besser?

 

Statt demokratischer Schulreformen hat die
sozialdemokratisch geführte SPÖ-ÖVP-Koalition ein arbeitnehmerInnenfeindliches LehrerInnendienstrecht beschlossen. Ein Versuch über die Zweiklassenschule von heute und Alternativen für
morgen

 

Die Österreichische Volkspartei agitiert im Wahlkampf als Retterin des Gymnasiums vor  Gesamtschule und Niveauverlust, und will keine EinheitslehrerInnen, die neuen NEOs machen „mit Flügeln“ Wind gegen den Stillstand, die Grünen werben mit
Wahlplakat-Schafen für eine Gesamtschulreform, während die SPÖ ihre jahrzehntelange bildungspolitische Tatenlosigkeit mit roten Plakaten für „Arbeit“ und „Bildung“ überklebt. Die
außerparlamentarische Linksopposition KPÖ argumentiert unverdrossen gegen die soziale Ausleseschule1 , für die sich neben der ÖVP auch die FPÖ stark macht – im Interesse der Fleißigen
und Tüchtigen und der besseren Kinder der besseren Leute.

 

Den weiterhin unveränderten Ist-Stand des österreichischen Schulsystems beschreiben die Schlagzeilen der
letzten Monate und der Nationalratswahlkampf 2013:

„PISA – hohe Kosten und mittelmäßiger Output“ – „Herkunft bestimmt Bildung“ –  „Hypo-Pleite, Budgetkrise, Einsparungen“ – „Landeshauptmann Pröll2  und Bundeskanzler Faymann einigen
sich auf neues LehrerInnendienstrecht“ – „Gewerkschaft beklagt Bruch der Sozialpartnerschaft“ – „JunglehrerInnen, Alt-LehrerInnen und StudentInnen demonstrieren in Vorarlberg, Salzburg, Linz,
Graz und vor dem Parlament in Wien gegen den Dienstrechtsentwurf der Regierung, gegen Arbeitszeiterhöhung und Einkommensverluste“– „SPÖ-dominierte Arbeiterkammer trotzdem für die Regierungspläne,
weil der ÖVP-Chef der Gewerkschaft öffentlicher Dienst/GÖD Neugebauer dagegen ist“ – „Lehrergewerkschaften protestieren mit Unterschriftensammlung für die Aufhebung des Dienstrechts“ …

 

Im neuen Jahr 2014 ist wieder Ruhe. Das LehrerInnendienstrecht ist von SPÖ und ÖVP gegen die Stimmen der
Oppositionsparteien noch vor Weihnachten beschlossen worden, die LehrerInnen-Gewerkschaften haben ihre Streikdrohungen und auch die Unterschriftensammlung ad acta gelegt. Trotz steigender
Überbelastung der Lehrerinnen aller Schultypen durch eine schleichende Arbeitszeiterhöhung über die Anordnung von all-inclusive Zusatzarbeiten (Schulentwicklung, Projektorientierung,
Kompetenzorientierung, neue Reifeprüfung u.a.), trotz der Zunahme von Überlastungs-Krankenständen und unfreiwilliger Teilzeitarbeit war und ist der gemeinsame Kampf für neues Dienstrecht den
Spitzenfunktionären der fünf LehrerInnengewerkschaften kein großes Anliegen. Zur ausgabenseitigen Budgetkonsolidierung sehen sie als regierungsnahe „Realisten“ ohnehin keine
Alternative.  Im neuen Regierungsprogramm der alten SPÖ-ÖVP-Koalition sind auch keine vermögensbezogenen Steuern vorgesehen, die Gesamtschule ist kein
Thema, stattdessen ist ausgabenseitige Budgetkonsolidierung angesagt, wie bisher, und das Streichen von Arbeitsplätzen im gesamten öffentlichen Dienst. Die Reichen sollen reicher werden und die
Armen mehr.

 

Volksschule, Hauptschule und AHS – zur österreichischen Schulorganisation

 

 

Die in der k. und k. Monarchie eingerichtete ständische Schulorganisation von Volksschule, Hauptschule und
Gymnasium, auch: Allgemeinbildende höhere Schule/AHS, ergänzt durch Berufsschule und Berufsbildende mittlere und höhere Schule/BMHS hat in Österreich zwei Weltkriege, Austrofaschismus und
NS-Diktatur überdauert. Die Schulgesetze von 1962 haben die ständestaatliche Gliederung des „differenzierten“ österreichischen Schulsystems bestätigt. Soziale Diskriminierung, Selektion,
Notenlernen, Schulangst und das Auseinanderdividieren von 9-jährigen Kindern in die „besseren“ AHS3 -SchülerInnen und den sozial schwächeren „Rest“ der HauptschülerInnen bzw. neue
MittelschülerInnen gehören dazu. Österreich hat keine gemeinsame Pflicht-Schule, statt ganztägig geführten Gesamtschulen für alle boomen private Nachhilfe und private Bildungsangebote am
Nachmittag, exklusiv für die, die sich´s leisten können.

 

 

Über 25% der 15-/16-Jährigen können nicht sinnerfassend lesen, darunter sind viele Jugendliche ohne
Pflichtschulabschluss, ohne Chance auf eine Lehrstelle oder einen Arbeitsplatz. PISA als Motor für kapital- und wirtschaftsfreundliche Schulreformen hat in Österreich bisher nicht funktioniert,
auch wenn sich in der ÖVP Widerspruch zur Parteilinie regt, bleibt es bis auf weiteres bei der traditionsreichen Reformverweigerung. Die soziale, emanzipatorische und demokratische Dimension von
Bildung spielt in der österreichischen Reformdebatte eher keine Rolle. Auch wenn Grüne und Linke dagegen halten.

 

SPÖ – Arbeiterpartei und Bildungsbewegung a.D.

 

Die Zweiklassenschule soll auch die 2013 begonnene Gesetzgebungsperiode unbeschadet überstehen. Die
Koalitionsregierung unter dem SPÖ-Kanzler Faymann nimmt Rücksicht auf den Koalitionspartner ÖVP und verzichtet für weitere fünf Jahre auf ernsthafte Gesamtschulreformschritte. In der damit
zusammenhängenden Kompetenzfrage scheut die SPÖ den Konflikt mit den machtbewussten ÖVP-Landeshauptleuten, die ihre Landeshoheit über die LandeslehrerInnen auch in Zukunft behalten wollen. Denn
zur Zweiklassenschule gehören auch unterschiedliche Schulkompetenzen und zwei Klassen von LehrerInnen: BundeslehrerInnen unterrichten an AHS und BMHS, haben Universitätsausbildung (Diplom- oder
Masterstudium) und bis zum Wirksamwerden des neuen Dienstrechtes 2019 auch vollakademische Gehälter. Die LandeslehrerInnen haben eine verschulte Bachelor-Kurzausbildung an Pädagogischen
Hochschulen (tertiäre Bildungseinrichtungen des Unterrichtsministeriums) und dem entsprechend weniger Einkommen. Die rund 40.000 BundeslehrerInnen an AHS und BMHS unterrichten unter weitgehend
parteipolitisch besetzten Bundes-Schulleitungen; die 80.000 Pflichtschul- und BerufsschullehrerInnen stehen dagegen mehr oder weniger unter die Fuchtel der Landeshauptleute und der
Landesparteipolitik, die BezirksschulinspektorInnen und SchuldirektorInnen bestellen.

 

Die SPÖ beruft sich gern auf Otto Glöckels Schulreformen im „Roten Wien“ der 20er-Jahre, zitiert auch gern
den 1989 tödlich verunglückten SPÖ-Gewerkschafter und Sozialpolitiker Alfred Dallinger mit dem Satz: „Bildungspolitik ist Sozialpolitik“, hat aber den politischen Kampf für eine gemeinsame
ganztägige Pflichtschule für alle Kinder bis heute nicht geführt. Auch in der nostalgisch verklärten Kreisky-Ära der 70er-Jahre hat die SPÖ zwar Schulgeld- und Studiengebühren abgeschafft und
Gratisschulbuch und Schülerfreifahrt eingeführt, aber statt der Gesamtschule dann doch lieber „Mehr Arbeiterkinder an die AHS“ propagiert. Auf einen „Schulkampf“ mit der ÖVP und den von ihr
dominierten LehrerInnengewerkschaften wollte sich die Parteiführung damals wie heute genau so wenig einlassen, wie auf den Kompetenzstreit mit den Landeshauptleuten. Die Basis wurde mit
„wortidenten Lehrplänen“ an Hauptschule (Landesschulen, LandeslehrerInnen) und AHS-Unterstufe (Bundesschulen, BundeslehrerInnen) beruhigt und für die besonders aufmüpfige Eltern- und
Kinderorganisation der SPÖ- „Kinderfreunde“ wurden folgenlose Gesamtschulversuche an Hauptschulen veranstaltet. Die „Neue Mittelschule“ von 2012, die bis 2016 an allen Hauptschulen die neue
Regelschule werden soll, steht Jahrzehnte später als neueste neue Hauptschule auf dem Spielplan, ein neuerlicher Etikettenschwindel, dem die Landeshauptleute die Zustimmung nicht verweigern
konnten, weil er pädagogische Verbesserungen und vor allem zusätzliche LandeslehrerInnen-Dienstposten verspricht, für die der Bund aufkommt.

 

Bundesschulen, Landesschulen, landwirtschaftliche Schulen und fünf (!) Lehrerinnengewerkschaften

 

Eine besondere Eigenart des österreichischen Schulsystems sind die unterschiedlichen Bundes- und
Landeskompetenzen für Schultypen (Bundesschulen: AHS, BMHS – Landesschulen: Pflichtschulwesen und Berufsschulen) und die dort unterrichtenden LehrerInnen (BundeslehrerInnendienstrecht –
LandeslehrerInnendienstrechte der 9 Bundesländer). Bezahlt werden alle LehrerInnen vom Bund. Das Schulwesen in Österreich ist zwar Bundessache, den Ländern kommt jedoch für die öffentlichen
Pflichtschulen (Volksschule, Hauptschule, Polytechnische Schule, Sonderschule) und Berufsschulen die Vollziehung und – unter Beteiligung der Gemeinden – die Rolle des Schulerhalters zu.
Allgemeinbildende höhere Schulen (AHS) sowie Berufsbildende mittlere und höhere Schulen (BMHS) werden dagegen vom Bund erhalten. Die Land- und forstwirtschaftlichen Schulen, in der Regel
Fachschulen auf Landesebene, sind de jure dem Landwirtschaftsministerium unterstellt.

Dieser Differenzierung entsprechend gibt es in der Gewerkschaft öffentlichen Dienst nicht eine, sondern
fünf LehrerInnengewerkschaften mit unterschiedlichen standespolitischen Interessen. Diese werden zwar alle von der gleichen ÖVP-nahen Fraktion christlicher Gewerkschafter (FCG) dominiert,
verfolgen aber unterschiedliche Standes- und Landes-Partei-Interessen. Das hat auch zur bereits skizzierten Niederlage beim LehrerInnendienstrecht beigetragen, als die
ArbeitnehmerInnenforderungen aller LehrerInnen gemeinsam nicht entwickelt und auch nicht erkämpft werden konnten.

 

Ein neues LehrerInnendienstrecht ist kein Schulreformersatz

 

Ein Reformgesetz, das SPÖ und ÖVP 2012 beschließen konnten, soll nicht verschwiegen werden: Nach
mehrjährigen, von Kompetenzstreitigkeiten und knappen Ressourcen geprägten Auseinandersetzungen zwischen Universitäten (ÖVP-Wissenschaftsministerium) und Pädagogischen Hochschulen
(SPÖ-Unterrichtsministerium) wurde eine neue PädagogInnenbildung beschlossen, aber auch die schaut recht alt aus, weil sie für das alte Klassenschulsystem ausbildet und am Nebeneinander der
Ausbildung für Volks-, Haupt- und Berufsschule (PH) und AHS, BMHS  (Universitäten) festhält, auch wenn künftig alle LehrerInnen einen achtsemestrigen
PH- oder Uni-Bachelor als Basis für ein Masterstudium absolvieren sollen. Die Durchführungsbestimmungen, die notwendigen Kooperationen zwischen Universitäten und PH sind ungeklärt.

 

Keine Lösung zeichnete sich beim Dienstrecht ab. Dessen Anpassung an veränderte Aufgaben und
Arbeitsbedingungen im ArbeitnehmerInnen-Interesse der LehrerInnen war überfällig, passte aber weder zum Schulreformstau noch in den restriktiven Budgetfahrplan der Regierung. Dann kam aber doch
ein von ÖVP-Pröll und SPÖ-Faymann als Wahlkampfkarte ausgespielter Dienstrechtsentwurf, mit dem den WählerInnen wenigstens einmal großkoalitionäre Regierungsstärke demonstriert werden sollte.
Dieses arbeitnehmerInnenfeindliche Sparpaket haben die fünf LehrerInnengewerkschaften nicht bereits 2012 den KollegInnen bekannt gemacht und zurückgewiesen, sondern als Verhandlungsgrundlage für
35 Verhandlungsrunden akzeptiert. Statt auf gewerkschaftliche Offensive haben sie auf Verzögerung bis nach dem Wahltermin gesetzt. Die Regierung hat am Ende nicht gezögert und ihr Sparvorhaben
ohne gewerkschaftliche Zustimmung noch vor den Nationalratswahlen ins Parlament gebracht. Damit hatte sich das vereinbarte Stillschweigen der Verhandlungspartner erledigt, das Dienstrechtsgesetz
ging in die Begutachtung, die Betroffenen, Lehramtsstudierende, Jung- und Alt-LehrerInnen gingen auf die Straße und verfassten über 1500 Begutachtungen, auch der ÖGB lehnte die geplante
Arbeitszeiterhöhung ab4 .

 

Besonders ausführlich, wenn auch um ein vertrauliches Verhandlungsjahr zu spät, kamen die Ablehnungen der
Regierungsvorlage durch die fünf LehrerInnengewerkschaften der GÖD. Das neue Dienstrecht lässt zwar die von der ÖVP verteidigte Landeskompetenz über 80.000 PflichtschullehrerInnen unangetastet
und legt damit der gemeinsamen Sekundarstufe I von Hauptschule (Landeslehrerinnen) und AHS-Unterstufe (BundeslehrerInnen) einen Sperrriegel vor, es schreibt die von der ÖVP und der GÖD-Spitze
gegen jede Veränderung verteidigte sozial-selektive Schulorganisation fort, dennoch blieb selbst ÖVP-nahen Christgewerkschaftern nichts anderes übrig, als die Arbeitszeiterhöhungen und
Gehaltsverluste für die ab 2019 eintretenden LehrerInnen abzulehnen. Dazu kommt, dass im November 2014 die nächsten Personalvertretungs- und Gewerkschaftswahlen ins Haus stehen.

 

Gegen das SPÖ-ÖVP-Sparpaket, gegen Arbeitszeiterhöhung und Einkommensverluste sind alle Fraktionen
aufgetreten. Für ein an ArbeitnehmerInnen-Interessen orientiertes Dienstrecht aller LehrerInnen, das ein notwendiger Teil der anstehenden sozialen und demokratischen Schulreformen ist, sind
allerdings nur die Unabhängigen GewerkschafterInnen in der GÖD5  (UG) und die von der 
„schwarzen“ GÖD unabhängige Bildungsgewerkschaft in Vorarlberg6  (UBG) aktiv.

 

Bildung kostet

 

Die neoliberale Budget- und Steuerpolitik und der von Sozialabbaumaßnahmen begleitete Einsparungs- und
Privatisierungskurs im öffentlichen Dienst hat die strukturelle Ungleichheit im Bildungsbereich verschärft: Stundenkürzungen für SchülerInnen, Arbeitsverdichtung „all inclusive“ und „Reformen,
die nichts kosten“ haben die Unterrichts- und Lernbedingungen für LehrerInnen und Schülerinnen verschärft, die Nachhilfe-Industrie boomt, die immer noch vorhandene Freude an der Schul-Arbeit wird
von Burn-out und abgebrochenen Schul- und Bildungskarrieren überlagert. Bildungssackgassen, arbeitslose Jugendliche ohne Perspektive.

 

Während ÖGB und Arbeiterkammer vermögensbezogene Steuern zur Finanzierung von Sozial- und Bildungswesen
fordern und die SPÖ daraus wenigstens ein Wahlversprechen macht, lehnt die FCG-dominierte GÖD im Schulterschluss mit der ÖVP, Wirtschaftskammern und Industriellenvereinigung vermögensbezogene
Steuern ab. Dass ohne diese Steuern Personalabbau, Aufnahmestopp, Arbeitsverdichtung, Flexibilisierung, Arbeitszeiterhöhungen, prekäre Arbeitsverhältnisse und Ausgliederungen fortgesetzt werden,
ist den FCG-Vorsitzenden in der GÖD anscheinend egal, ÖVP-Parteipolitik statt ArbeitnehmerInnenpolitik.

 

Resignieren oder kämpfen. Wer wenn nicht wir?

 

Die Welt wie sie ist resignierend oder wütend beschreiben war nie genug. Widerspruch und Widerstand waren
und sind angesagt. Gemeinsames Nachdenken und politisches Handeln von ArbeitnehmerInnen und Arbeitslosen, von Jungen und Alten. Protest gegen herrschendes Unrecht organisieren und für
demokratische Veränderungen eintreten, die über die unmittelbare Betroffenheit von der individuellen Schul-Erfahrung hinausreichen, die ganze Gesellschaft verändern, ganz im Sinn von Rosa
Luxemburgs „Die Revolution ist großartig, alles andere ist Quark“. Im Hier und Jetzt für mehr soziale Gerechtigkeit, für demokratische Entscheidungen, für eine kinder- und menschenfreundliche
Bildung, für eine andere, bessere Welt.

 

Der oft resignative Rückzug auf die eigene Unterrichtsarbeit, auf die eigene Schule und am Ende ins
Private, nimmt und lässt die herrschenden Zustände und Machtverhältnisse so wie sie geworden sind. Als ob es keine Alternative mehr gäbe. Schwierigkeiten in der Klasse, Konflikte, zerstörte
Motivation, Überforderung bis zum Schulabbruch oder zum Burnout sind keine individuellen Probleme, kein individuelles Versagen einzelner SchülerInnen oder LehrerInnen, sondern haben systemische
Ursachen. Freiräume, alltägliche Realutopien sind möglich, aber die Ausnahme. Es liegt an uns, an unserer Solidarität und unserem Mut, ob und wie wir uns gewerkschaftlich und politisch einmischen
und Widersprüche im System, auch innerhalb der neoliberalen Regierungs- und Oppositionsparteien ernst nehmen und zum Tanzen bringen.

 

Schritte in die Richtung einer solidarischen Gesellschaft sind notwendig, auch und weil keine Revolution
angesagt ist, weil theoretisches Besserwissen und praktische Resignation keine Alternative für von Bildungskrise und Budgetkürzungen betroffene LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern sind.

 

In Österreich stehen Ende November 2014 bundesweite Personalvertretungswahlen an, eine Möglichkeit, die
absolute Mehrheit der christlichen Fraktion abzuwählen, die standespolitische Stellvertreterei von fünf LehrerInnengewerkschaften und die verschwiegene Kooperationsbereitschaft mit Bundes- und
Landesparteizentralen der Spitzenfunktionäre zu beenden. Dazu wird es nicht genügen, parteiunabhängige ArbeitnehmerInnenvertreterInnen zu wählen, es ist notwendig, gegen die Parteifraktionen auf
Landes- und Bundesebene zu kandidieren, kein Opfer, sondern eine Lebensmöglichkeit, die den Schulalltag besser, wenigstens erträglicher macht.

 

LehrerInnen, die den Kampf für eine bessere Welt, eine bessere Schule, ein besseres Dienstrecht nicht
aufnehmen, sondern aufgeben, haben den Kampf gegen ihre SchülerInnen schon aufgenommen.

 

Schulreform und LehrerInnendienstrecht bleiben auf der Tagesordnung

 

Die vom Begutachtungsentwurf zum LehrerInnendienstrecht ausgelösten Proteste von engagierten Jung- und
Altlehrerinnen hatten mit der rituellen Schulreformverweigerung schwarzer GÖD-Funktionäre nichts zu tun. Sie sind ein Symptom der Bildungskrise, das auf die jahrzehntelang von der SPÖ verdrängten
und von ÖVP und schwarzen Gewerkschaftern verschleppten Schulreformen hinweist. Ein neues kostensenkendes Dienstrecht für die alte Zweiklassenschule hilft den künftigen LehrerInnen nicht und
ebensowenig ihren SchülerInnen und den Eltern. Grundlegende Veränderungen im österreichischen Schulsystem sind notwendig:

 

• Schulverwaltungsreform mit einer Bundeskompetenz für den gesamten Schulbereich und Umsetzungskompetenzen
für vom Parteieinfluss unabhängige, autonome Schulen (eigenverantwortliche Unterrichts- und Schulgestaltung, Personaleinsatz, ausreichende Schulbudgets, Verantwortung gegenüber Bundesministerium
und Schulgemeinschaft) mit demokratisch gewählten Schulleitungen, PersonalvertreterInnen-Betriebsräte an jede Schule …

• Sozial-integrative, individuell fördernde Schulorganisationsreform, eine gemeinsame ganztägige Schule
der Primarstufe und Sekundarstufe I, Pflichtschulabschluss für alle als Grundlage für Berufs- und Bildungsweg der Sekundarstufe II (neue gymnasiale Oberstufe, BMHS, BS) …

• Ende des Aufnahmestopps im öffentlichen Dienst, Arbeitsplätze für fehlende SonderpädagogInnen,
SozialarbeiterInnen, PsychologInnen, Verwaltungspersonal …

• Bereitstellen der erforderlichen Bildungs-Budgetmittel für Schule und Schulreformen, für
PädagogInnenbildung und -weiterbildung, für dienst- und besoldungsrechtliche Verpflichtungen des Dienstgebers …

• Sicherung und Ausbau des öffentlichen Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesens durch eine soziale
Steuerpolitik, durch die Umverteilung gesellschaftlich geschaffenen Reichtums – nicht nur in Österreich …

 

Ein LehrerInnendienstrecht taugt nicht als Ersatz für versäumte Bildungs- und Verwaltungsreformen, es ist
auch kein Vehikel für partei- und standespolitische Besitzstandswahrung. Es geht um die Zukunft aller in Österreich heranwachsenden Kinder. Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht, kein Kind
darf zurückgelassen, keines darf beschämt werden. Bildung kostet. Österreich ist ein reiches Land und Teil einer neoliberal ausgerichteten EU, in der Gegenentwürfe zu dem angesagt sind, was die
Troika Griechenland und anderen marktwirtschaftlich ruinierten Ländern aufherrscht. Ich war am 1. März 2014 beim Gründungskonvent der Wahlallianz EUROPA anders, die von KPÖ, Piraten, Der Wandel
und Parteiunabhängigen getragen wird. Der Ansatz, GrassrooterInnen und Initiativen für eine politische Alternative zum neoliberalen Mainstream zu gewinnen, ist nicht voluntaristisch, sondern
illusionslos-optimistisch. Auch LehrerInnen brauchen die Alternative eines demokratischeren und sozialen Europa, das uns allen menschenwürdige Lebens-, Arbeits- und Bildungschancen eröffnet und
der Herrschaft der Banken und Konzerne erst Grenzen und dann ein Ende setzt.  (03.03.2014)

 

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