Lehrplanaspekt: Kommentar von Renate Brunnbauer (ÖLI-UG)
Angesichts der im Standard berichteten heftigen Reaktion der empörten Unterzeichner der Petition an das
BMBF, muss man bezweifeln, ob deren Anmerkung, man teile das Ziel, „unterschiedliche Wirtschaftstheorien und Fragestellungen der Ökonomie vorzustellen“, tatsächlich ernst gemeint sein kann. Ein
derartiges Ziel ist keine persönliche Grundhaltung, die österreichische PädagogInnen oder SchulbuchautorInnen quasi privat wählen oder gewichten können. Es gehört vielmehr zu den grundlegenden
Bestimmungen der Lehrpläne aller Schultypen.
Der Grundsatzerlass, der politische Bildung als Unterrichtsprinzip für alle Fächer und für alle Schultypen festlegt, wurde erstmals 1978 als konsensfähige Fassung von Vertretern der Parteien SPÖ,
ÖVP und FPÖ formuliert und 1994 unverändert wiederverkündet.
Die aktuelle Fassung Des Grundsatzerlasses aus dem Jahr 2015 nimmt ebenso wie der ursprüngliche Wortlaut zu Beginn Bezug auf §2 des SCHOG aus dem Jahr 1962, um die gesetzliche Verankerung der
politischen Bildung klarzustellen. Sogar die sehr konsensorientierten und an Staatsbürgerkunde orientierten Formulierungen des Jahres 1978 lassen die Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses
anklingen – im aktuellen Erlass von 2015 werden sie explizit angeführt.
Das bedeutet, dass in allen österreichischen Klassenzimmern die Prinzipien des Überwältigungsverbots, der SchülerInneorientiertheit und das Kontroversitätsgebot zu beachten sind.
Der Erlass fordert explizit, dass „bei der Umsetzung Politischer Bildung der Begegnung mit Personen und Institutionen des Politischen (Politik, Interes-sensvertretungen, NGOs, Bürgerinitiativen,
Medien, etc.) eine besondere Rolle zukommt.“ Gerade das Kontro-versitäts gebot „erfordert neben einer didaktischen Aufbereitung und dem Abbilden von Kontroversen aus Politik und Gesellschaft im
Unterricht auch das Zulassen und Fördern von Gegenpositionen und deren Begründung.“
PädagogInnen wie SchulbuchautorInnen haben den Auftrag, über die rein fachwissenschaftliche Darstellung hinauszugehen: Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht
kontrovers erscheinen.
Zwar schlagen die 26 protestierenden Ökonomen fachwissenschaftlich anerkannte Wissenschafter als Alternative zu Christian Felber vor, ihre kategorische Ablehnung der Erwähnung Felbers ist aber
mit den aktuellen Lehrplanvorgaben dennoch nicht in Einklang zu bringen. Die zunehmende gesellschaftliche und politische Bedeutung der Gemeinwohlökonomie von Christian Felber mag manchen
Ökonomen nicht gefallen, sie ist dennoch real und deswegen im Unterricht relevant und zulässig.
Hinterlasse einen Kommentar