Wenn sich manche Wirtschaftslobbyisten und europäischen Politiker*innen über den Schülerstreik „Fridays for Future“ zu Wort melden, je weiter rechts und neoliberal, desto lauter, zynischer und
aufgeregter, reden sie meist nicht über das Anliegen der Schüler*innen. Sie reden über vieles, nur nicht von der Klimakrise. Sie reden über Schulschwänzen, darüber, dass die streikenden
Jugendlichen gerne im „Mac“ essen, wahrscheinlich mit den SUVs ihrer Eltern zur Demo anreisen und Billigtextilien tragen. Sie sprechen ihnen die Glaubwürdigkeit ab, weil sie in Sachen Klimawandel
nicht „päpstlicher als der Papst“ seien. Sie erfinden alle möglichen abstrusen Verschwörungstheorien und unterstellen den jungen Demonstrant*innen, sie seien Marionetten der Klimapanikmacher.
Ihr Ziel ist es, die Klimakrise aus dem Fokus der Berichterstattung zu nehmen.
Sie wollen nicht über den Klimawandel reden, „weil sie wissen, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen können. Weil sie wissen, dass sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben“, sagt Greta Thunberg.
Sie gebaren sich zunehmend aggressiver und machen auch vor abgrundtiefen persönlichen Diffamierungen der Streikenden, vor allem von Greta Thunberg, nicht mehr halt. Das ist ein klares Indiz
dafür, dass sie Angst vor dieser neuen Bewegung haben. Und das sollten sie auch. Denn gegen durchaus realistische, weltumspannende Katastrophenängste der jungen Menschen wirken die bei
Erwachsenen bisher erfolgreichen Lobbystrategien, Framingschmähs und Spindoktorkünste nicht. Weil es den Mächtigen primär um Geld, um viel Geld geht. Weil sie, auf einen Nenner gebracht, einfach
nur gierig sind. Deshalb kommen sie mit ihren Lügen bei den demonstrierenden Schüler*innen nicht durch.
Ein neues modernes `68?
Auch das stets liebreizendste PR-Süßholzgeraspel der „blutjungen, zischfrischen und extradisruptiven Alles-neu-macht-der-Mai-Regierung“ (derstandard.at-WIN
Einserkastl) kommt bei den Jugendlichen nicht an. Umweltministerin Köstingers Versuch, sich per Videobotschaft bei den klimastreikenden Schüler*innen anzubiedern, ist kläglich gescheitert. Es
ist gut vorstellbar, welche Panik jene Kreise der geldgeilen Lobbyisten und der korrupten machtgierigen Politiker*innen davor haben, dass „ein neues modernes `68 wieder aufleben könnte. Ich fände
das großartig“, sagt Konstantin Wecker dazu. Vielleicht ist die Bewegung „Fridays for Future“ die Chance – vielleicht die letzte Chance, die drohende Klimakatastrophe zu verhindern. Die
Befriedigung der Gier einiger Weniger oder eine Zukunft haben, so einfach ist die Frage, die sich den jungen Menschen stellt. Und ihre Antwort ist eindeutig. Unterstützen wir sie bei ihrem Kampf
für eine lebenswerte Zukunft. Kämpfen wir für sie. Das, und noch viel mehr, sind wir ihnen schuldig.
ms
Kommentar dazu von Severin Mayr
(siehe HP Severin Mayr)
Es klingt ja aufs erste ganz einfach: Sie gehen nach der Demo zum Maci, sind vermutlich mit SUVs angereist, ihre Regenjacken sind aus Plastik und Red Bull trinken sie auch sicher. Also können
diese ganzen jungen Leute, die zum Beispiel auch bei Fridays for Future Linz unterwegs waren, es doch gar nicht ernst meinen mit dem Klimaschutz. Oder etwa doch?
Wer heute auf den größeren Nachrichtenseiten ein paar Postings über die großartigen #fridaysforfuture-Demonstrationen auf der ganzen Welt gelesen hat, dürfte nicht übersehen haben, dass sich ein
paar besonders interessante Argumente in die Kommentare gemischt haben. Aber die sind so laut, so zynisch und so aufgeregt, wie sie falsch sind.
Was hier nämlich gemacht wird, ist, die Zukunft des Planeten einzig und alleine auf die Eigenverantwortung abzuschieben, auf das Individuum. Es wird suggeriert, dass der Klimawandel gestoppt
wird, wenn Leute auf einmal nicht mehr Fliegen, kein Fleisch mehr essen und nur mehr mit den Öffis unterwegs sind. Und ja, es ist toll, wenn Menschen versuchen, ihren ökologischen Fußabdruck zu
verringern. Ich versuche das auch. Jeder Beitrag zählt, und natürlich ist Bewusstseinsbildung wichtig. Aber das entlässt die Politik nicht aus der Verantwortung! Im Gegenteil!
Man ist nicht dann glaubwürdig, wenn man päpstlicher ist als der Papst. Man ist es dann, wenn man Verhältnisse ändern will – so wie die vielen jungen Leute, die heute auf der Straße waren, das
wollen. Wenn man in der Öffentlichkeit (und ja, dafür sind Demos da, vor allem während der Unterrichtszeit) dafür kämpft, dass es eine Systemänderung gibt.
Dass man Druck dafür aufbaut, bis die Politik handelt. Dass es ein Ende haben muss, dass Kerosin von der Steuer befreit ist, Bahnreisen aber nicht. Dass die Politik Massentierhaltung fördert und
die kleinstrukturierte Landwirtschaft sterben lässt. Dass auch 2019 noch immer Autobahnen gebaut statt Eisenbahnschienen verlegt werden. Oder dass Gesetze ein Wirtschaftssystem ermöglich, dass
auf Ausbeutung und Umweltzerstörung basiert. Es geht nicht um bessere Menschen, es geht um bessere Politik. Es geht um bessere Gesetze!
Wenn junge Leute zeigen, dass es ihnen nicht egal ist, ob der Planet kippt, dass es ihnen darum geht, dass die Politik nicht nur redet, sondern auch handeln soll, dann kann man sich vor diesen
Leuten nur verneigen. Sie haben schon mehr zusammengebracht als weite Teile der herrschenden Politik. Und auch viel mehr, als die Zyniker in den Kommentarfeldern…
Kommentar dazu von Manfred Walter
(siehe FB manfred Walter)
Martina Salomon vom Kurier schreibt zu den gestrigen Demonstrationen von einem „gefahrlosem Wohlfühlevent“, stellt sich stellenweise in die Reihen der Klimawandelleugner*innen (Zitat:“hat es
immer gegeben“). Und ähnlich wie Christian Lindner von der FDP, spricht sie den Demonstrant*innen die Expertise ab.
Unsere Großeltern und Eltern sind gegen Zwentendorf und Wackersdorf auf die Straße gegangen, ohne Atomphysiker*innen zu sein.
Unsere Großeltern, Eltern und auch schon einige von uns sind gegen Hainburg auf die Straße und in die Au gegangen, ohne BiologInnen oder ZoologInnen zu sein.
Unsere Großeltern, Eltern und auch schon einige von uns sind gegen die NATO-Raketen in Deutschland demonstrieren gegangen, ohne Waffentechniker*innen oder StrategInnen zu sein.
Meine Kinder und ich haben gegen die Kürzung der Familienbeihilfe für Studierende protestiert, ohne betroffen zu sein.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Salomon verwendet das einfachste Mittel um einen Protest zu delegitimieren. Sie spricht den Protestierenden die Expertise und die Ernsthaftigkeit ab.
Kein Mensch geht aus Jux und Tollerei auf die Straße, schon gar nicht bei so einem Wetter wie gestern. Und auch niemand kann von den Menschen, die ihren Unmut kundtun, verlangen sich mit allen
Details auf Expert*innenniveau auszukennen. Ich vertraue hier auf die Forschungsergebnisse, auf die Expertisen von Fachmenschen. Und wenn mir diese Expertise Sorgen macht, dann versuche ich die
Entscheidungsträger*innen mittels demokratischer Mittel auf mein Anliegen aufmerksam zu machen. Und da gehören Demonstrationen nun mal dazu, zu den demokratischen Mitteln.
Und noch eines, weil es mir gestern immer wieder untergekommen ist. NIEMAND ist ein 100%ig „guter“ Mensch. Aber es sollte sich jeder Mensch bemühen, zumindest im eigenen Umfeld und im eigenen
Wirkungsbereich ein „guter“ Mensch zu sein. Den Protesten deswegen ihre Legitimation abzusprechen, nur weil da sicher schon mal wer beim MacD war, das ist perfide und unlogisch.
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