ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, [WeitereR AbgeordneteR], Freundinnen und
Freunde

betreffend Modellregion zur Gemeinsamen Schule

 

 

BEGRÜNDUNG

Zahlreiche Studien, internationale Erfahrungen und namhafte ExpertInnen aus dem
Bildungsbereich kommen zu dem Schluss, dass die in Österreich angewandte frühe Selektion im Schulwesen im Alter von 9 bis 10 Jahren deutlich zu früh stattfindet. Kinder werden unter großen
Erfolgsdruck gesetzt, der sich negativ auf die Lernmotivation auswirkt. Inzwischen bieten kommerzielle Nachhilfeinstitute sogar Förderunterricht für VolksschülerInnen an, damit sich diese
außerhalb des regulären Unterrichts auf einen Übertritt in höhere Schulen vorbereiten können. Die Frage „Gymnasium oder Hauptschule/Neue Mittelschule“ wird häufig auch anhand des Einkommens der
Eltern und nicht nach Begabung, Fleiß oder Talenten entschieden. Die sozioökonomische Situation der Familie ist ausschlaggebend für die Schulwahl. Nur in ländlichen Gegenden gibt es noch
Regionen, in denen fast alle Kinder eine Hauptschule besuchen, weil die nächste AHS-Unterstufe zu weit entfernt ist.

Doch nicht nur der Druck auf SchülerInnen und Eltern ist groß. Auch

LehrerInnen leiden darunter, die SchülerInnen selektieren zu müssen, statt sie
zielgerichtet fördern zu können. LehrerInnen gehen ganz unterschiedlich mit der Situation um. So zeigen Analysen der Notenverteilung in Volksschulen, dass manche LehrerInnen grundsätzlich nur
Noten zwischen Sehr gut und Befriedigend geben, während andere das ganze Notenspektrum nutzen. Insgesamt erweist sich der Zusammenhang von Noten und Leistung der SchülerInnen nicht ausreichend,
um ein valides Selektionskriterium darzustellen.

Die Tageszeitung „Der Standard“ berichtete diesbezüglich am 2. Jänner 2014:
http://derstandard.at/1388649785190/Studie-Noten-sagen-wenig-ueber-Leistung-aus

„Noten geben oft nicht die Leistungen der Schüler wieder. Das zeigt eine Studie, die in
der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Erziehung und Unterricht“ untersucht wurde.

„Der Tatbestand des geringen Zusammenhangs zwischen den objektiv erfassten
Lernleistungen der Schüler und ihren Noten – die mangelnde Aussagekraft der Noten – ist aus großflächigen Untersuchungen in ganz Österreich bekannt“, schreibt der Lehrer, Soziologe und
Humanwissenschafter Fritz Kast.

Der Befund ist nicht neu. Auch aus einer Sonderauswertung der PIRLS-Studie 2006 geht
hervor, dass der Notendurchschnitt der SchülerInnen nicht mit den späteren Leistungen korreliert. Die prognostische Aussagekraft der Volksschulnoten ist zu

ungenau, um den weiteren Bildungsweg der SchülerInnen davon abhängig machen zu können.
https://www.bifie.at/buch/875/4/3

In Vorarlberg werden ab dem kommenden Schuljahr 2014/15 bereits 53 der 56
Hauptschulstandorte auf Neue Mittelschulen umgestellt sein. Die neun AHS Langformen nehmen derzeit nicht am Schulversuch teil

Der Vorarlberger Landesrat Siegi Stemer, einst selbst ein Gegner der Gemeinsamen
Schule, förderte die Ausweitung der Schulversuche zur Neuen Mittelschule. Er konnte sich auch eine Einbindung der AHS-Unterstufen vorstellen, sofern die Finanzierung der zusätzlichen
Werteinheiten für die Individualisierung des Unterrichts gewährleistet ist.

Am 7. Jänner 2014 ging der amtierende Landeshauptmann von Vorarlberg Markus Wallner
noch einen Schritt weiter. Er forderte gegenüber der APA (Austria Presseagentur) „ein Ende der Blockadehaltung gegenüber der gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen.“ Weiters trat Wallner
dafür ein, die Hürden für einen Schulversuch zu senken. Gemeint ist damit die Regelung in §7a Abs. 5 des Schulorganisationsgesetzes, wonach 2/3 der Eltern und LehrerInnen der betreffenden Schulen
einem Schulversuch zur Neuen Mittelschule an AHS-Standorten zustimmen müssen.

Das Thema Gemeinsame Schule beschäftigt Vorarlberg zurzeit besonders. Die Vorarlberger
Nachrichten haben am 4. Jänner 2014 ein Interview mit Karlheinz Kopf abgedruckt. Auf die Frage: „Der Bund soll also Modellregionen zur Gemeinsamen Schule zulassen?“ antwortete Karlheinz Kopf, 2.
Nationalratspräsident und bekennender Befürworter eines differenzierten Schulsystems: „Ja, das wäre sogar gut.“

Am 11. Dezember 2013 haben Abgeordnete der SPÖ, FPÖ und der Grünen im Vorarlberger
Landtag folgenden gemeinsamen Antrag beschlossen:

„Die Vorarlberger Landesregierung im Allgemeinen und Landeshauptmann Mag. Markus
Wallner im Besonderen werden ersucht, bei der Bundesregierung dafür einzutreten, dass im Schulorganisationsgesetz entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, damit die gemeinsame Schule in
Vorarlberg flächendeckend und ohne hohe Zustimmungshürden als Schulversuch eingeführt werden kann.“

Vorarlberg bietet sich daher bereits jetzt als eine Modellregion zur Erprobung der
Gemeinsamen Schule aller 10- bis 14-jährigen an. Es müssten nur die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden, damit alle neun AHS-Unterstufen als Modellversuchsschulen geführt und die
übrigen Hauptschulstandorte rasch zu Neuen Mittelschule umgewandelt werden können.

Innerhalb einer solchen Modellregion kann dann die Gemeinsame Schule evaluiert und
weiterentwickelt sowie als Grundlage für die Österreich weite Einführung herangezogen werden.

Auch in Tirol, Salzburg, der Steiermark und Wien verlangen derzeit führende
PolitikerInnen, Modellregionen für eine Gemeinsame Schule aller Zehn- bis 14-Jährigen einzurichten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und
Kultur werden aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der es erlaubt, größere Regionen oder auch ganze Bundesländer als Modellregion für die Gemeinsame Schule aller 10-
bis 14-Jährigen zu führen. Dazu gehören insbesondere Änderungen im Schulorganisationsgesetz §7a Abs. 2 und 5, die Bereitstellung der notwendigen zusätzlichen Ressourcen für die AHS-Unterstufen
zur Führung als Modellversuchsschulen und die Einbindung der Neuen Mittelschulen. Weiters müssen entsprechende Ausbildungsmodule für LehrerInnen und SchulleiterInnen bereitgestellt werden, um den
binnendifferenzierten Unterricht und individuelle Förderung der SchülerInnen zu gewährleisten.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss
vorgeschlagen.