STANDARD: Das Argument der Ziffernnoten-Befürworter lautet, die verbale Beurteilung sei ja weiterhin zusätzlich möglich …
Reichmayr: … das kennen wir schon, das habe ich schon der vorigen Bildungsministerin Hammerschmied im Herbst 2016 in einem öffentlichen Brief gesagt: Gut, dass es Schulautonomie gibt, aber
wenn, dann muss man sie konsequent leben. Wenn dann zentralistisch verordnet wird, dass man die fünfteilige Ziffernskala trotz alternativer Beurteilung zu berücksichtigen habe, führt sich die
Autonomie ad absurdum. Nicht nur ich habe damals gesagt: Dann habt uns gerne, dann geben wir gleich wieder nur Noten. Das ist ja eine völlige Verkennung der Substanz einer alternativen
Beurteilung.
STANDARD: Ein Pro-Argument lautet auch, die Schüler selbst freuten sich über Benotung, weil sie sich gerne vergleichen. Ist da was dran?
Reichmayr: Noten sind etwas sehr Banales, Verkürzendes, Pauschalisierendes. Aber vor allem für Eltern, gerade auch aus anderen Kulturkreisen oder für sehr ehrgeizige Eltern, haben sie eine
Aussagekraft. Aber das kann man auch anders machen: Wir führen mit jedem Kind in jedem Semester Gespräche, bei denen wir ausloten, wo sie stehen, was ihre Stärken sind und wo sie Nachholbedarf
haben. Da sind die Eltern dabei, sie bekommen einen guten Überblick, wo ihre Kinder stehen. Das gibt es seit langem, da haben wir gute Erfahrungen gemacht.
Wenn Ziffernnoten vorgeschrieben werden, dann werden wir eben auch mit Ziffern benoten. Aber wie es dann mit der Notenwahrheit steht, ist fraglich.
Weitere Themen sind:
Sonderschulen: Je radikaler man individualisiert, nicht nur durch die Klassengrößen, sondern auch dadurch, wie man den Tagesablauf insgesamt gestaltet, desto mehr Möglichkeiten
öffnen sich für eine wirkliche Differenzierung.
Sprachförderklassen: Im Rahmen der Schulautonomie sollen die Schulen selbst bestimmen, was sie brauchen. Sie sollen es tun, wenn sie es brauchen, und lassen, wenn sie es nicht
brauchen. Diesen Zentralismus, die Verordnung von oben, halte ich für falsch. Das ist kein neuer Stil, das ist alte Unkultur. Oder wenn schon Zentralismus, dann den richtigen.
Was die Schule dringend bräuchte: Dass in einer Klasse mindestens zwei Lehrer zu stehen haben. Wir brauchen ein Bekenntnis zur Möglichkeit der Mehrstufenklassen.
Ablenkungsmanöver: Das sind alles Ablenkungsmanöver, wir reden nur über die blöden Noten.
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