Sehr geehrte Frau BM Heinisch-Hosek!
Als Lehrer im 30. Dienstjahr (u.a. Deutsch) und Schriftsteller spreche ich mich in aller Deutlichkeit gegen die Einführung einer zentralisierten Aufgabenstellung im Rahmen der Matura aus.
Die Zentralmatura entmündigt uns LehrerInnen: sie entzieht uns die Kompetenz, schüleradäquate wie unterrichtsbezogene Themen zu erstellen;
Die Zentralmatura degradiert uns LehrerInnen zu willfährigen Erfüllungsgehilfen: sie schreibt uns verbindlich Beurteilungskriterien und Notenschlüssel vor, die sich mit den eigenen Kriterien in
keiner Weise decken (müssen);
Die Zentralmatura aus Deutsch degradiert Literatur zum bestenfalls Stichwortgeber für Allerweltsthemen oder verwendet sie sogar missbräuchlich.
Die diesjährige Zentralmatura aus Deutsch belegt dies auf alarmierende Weise:
Zunächst müssen sich die KandidatInnen durch 20 Seiten (!) Aufgabenstellungen und Beilagen durchackern, bevor sie sich für eines der Themen entscheiden können.
Im sogenannten “literarischen” Thema wird ein Text aus dem Jahr 1947 als Kurzgeschichte bezeichnet, auf den diese Bezeichnung nicht zutrifft, eher Betrachtung, Meditation oder Kurzessay.
Der Text stammt von einem Autor mit NS-affiner Vergangenheit. Dies spiegelt sich auch im Wortgebrauch des Textes wider. Darauf wird aber weder in der Infobox noch in der Themenstellung Bezug
genommen. Warum nicht?
Im den LehrerInnen zur Verfügung gestellten “Kommentar”, der als Vorlage für die Beurteilung dienen soll, werden Erwartungen an die KandidatInnen gestellt, die diese in keiner Weise erfüllen
können; dazu brauchten sie literaturwissenschaftliches Wissen und umfassende literaturhistorische Kenntnisse (so werden z.B. Bezüge zu Adalbert Stifter hergestellt, den wohl die wenigsten gelesen
haben dürften).
Die Schlüsse, die aus diem Befund zu ziehen sind:
Aussetzung der Zentralmatura, am besten überhaupt Zurücknahme dieser unseligen Form einer Reifeprüfung;
genauere Kontrolle oder Auflösung des BIFIE, das für derartige Themen verantwortlich zeichnet und uns LehrerInnen permanent mit widersprüchlichen Informationen oder gar Desinformationen (siehe:
Englischmatura) belästigt.
Kompetenzorientiert und standardisiert grüßt
Christoph Janacs
Lehrer und Schriftsteller
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