Ein lesenswertes Interview von Lisa Nimmervoll (derStandard.at) über das Bologna-System mit der
Bildungsforscherin Ursula Frost: „Viele Lehrer werden an ihrer Arbeit gehindert“.
Die Bildungsforscherin und Kritikerin des Bologna-Systems spricht mit Lisa Nimmervoll über
• das „Gängelband von Kompetenzrastern und gesteuerten Anpassungskontrollen“ an dem die Lehrer/innen in ihrer Arbeit gebunden sind und es für sie deshalb immer schwieriger wird,
„den schulischen Herausforderungen wirklich gerecht zu werden.“
• Die Argumente, weshalb sie die Aussetzen des Bologna-Prozesses“ fordert. Weil das Modell „keines seiner Ziele, wie klare und vergleichbare Studiengänge, Erhöhung der
Mobilität, Verringerung der Studienabbrecherzahl, erreicht hat und überdies „nie demokratisch eingeführt und diskutiert, sondern top-down installiert“ wurde.
• die Ursachen, weshalb das Bologna-System „der Volkswirtschaft wie dem Gemeinwohl“ schade.
• die Auswirkungen, dass zwar das System nicht unbedingt schlechtere LehrerInnen „produziert“, aber zumindest die Lehramtsstudent/innen „von Respekt und Begeisterung für die
Sache“ ablenkt.
• die Gründe, weshalb Kompetenz „als pädagogische Leitkategorie ungeeignet“ ist.
• Die Folgen und Ursachen der immer mehr platzgreifenden „Politikvergessenheit der Bildung“. Die Erziehung zu demokratischen Staatsbürger/innen „betrifft die Schule, gehört aber
auch in die Lehrerausbildung. Denn LehrerInnen „leisten ja einen wesentlichen Beitrag zur Demokratisierung …, indem sie junge Menschen befähigen, individuelle und öffentliche Lebensräume
fantasievoll und verantwortlich gestalten zu können. Dazu sind vor allem Artikulationsfähigkeit, eigenständige Reflexion und Denken in Alternativen nötig. Das scheint mir sehr schwierig zu sein,
wenn Lehrende wie Lernende zunehmend nur noch Vorgaben erfüllen, Arbeitsanweisungen abarbeiten und Kästchen ausfüllen. Demokratische Wachheit und Wachsamkeit verträgt sich nicht mit blinder
Normerfüllung.“
Ursula Frost referiert über „Enteignung und Verschuldung als schulisches und didaktisches Prinzip“
am 30. Mai um 17 Uhr
in Wien, Hörsaal 3D, NIG, Universitätsstraße 7
Der Vortrag findet im Rahmen der von Konrad Paul Liessmann in Kooperation mit dem Standard organisierten Vortragsreihe „Fachdidaktik kontrovers“ stattt.
ms
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