„Wer 20 Jahre hinter PISA herläuft, vom Pflichtkindergarten über die Neue Mittelschule bis zur Ganztagsschule Milliarden investiert, ohne Erfolg; wer immer weiter, immer mehr auf
Standardisierung, Kompetenzorientierung und Kontrolle setzt, damit aber keine Leistungssteigerung, oder verbesserte Chancen für Schwache schafft – der muss sich einmal fragen, ob er nicht mit
PISA auf den falschen Dampfer ist.“ Bildungsforscher Stefan Hopmann von der Wiener Universität in der „Kleinen Zeitung“ vom 4. Dezember.
Die Zeit des Lobs der Mittelmäßigkeit ist wieder einmal angebrochen. Die österreichischen Schüler*innen sind noch immer im PISA-Durchschnitt aber eigentlich schon darunter. Alle
haben sich an das Lamento gewöhnt, das gewohnheitsmäßig zur Veröffentlichung der PISA-Studie auftritt. Das hindert uns daran, die Sache einmal von der anderen Seite zu betrachten und an den
Testungen selbst massive Kritik zu üben, so wie es Hopmann im Interview mit der „Kleinen Zeitung“ macht.
„Das Traurige ist: Vor jeder Reform haben wir Bildungsforscher den jeweiligen Ministern gesagt,
dass ihre Maßnahmen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen bei internationalen Vorbildern, keinen Erfolg haben werden. Sie haben nur gesagt,sie glauben trotzdem an die Wirkung.“ (Hopmann)
Verblendung kennt keine (Partei-)Grenzen. Bildungspolitik war offensichtlich in den letzten Jahrzehnten vor allem eines: Ein Politikfeld, auf dem die Parteien
Handlungsbereitschaft und Aktivität zeigen konnten. Koste es, was es wolle.
Ein blinder Glaube an das eigene Besserwissen und ein stures Beharren auf den vermeintlichen Segnungen naturwissenschaftlichen Testens.
Wenn man vom Lehren und dem Schulleben schon keine Ahnung hat, eine bunte Statistik oder ein Ergebnis in Zahlen – aber nicht zu viel davon auf einem Blatt – verstehen die Manager*innen der
Politik allemal. Und weil die Reformen trotzdem nicht funktionieren, muss man zu erzwingen versuchen, was eigentlich nicht erzwungen werden kann – menschliche Entwicklung.
In den Schulen werden Mitbestimmung von Schüler*nnen und Lehrer*innen de fakto zurückgefahren. Der SGA ist hauptsächlich beratendes Gremium und nicht mehr, wie vordem
entscheidungsbefugt. Die Schulleitungen werden ohne Einmischung der Lehrer*innen von einem erlesenen kleinen Zirkel bestimmt. Die Personalvertretung mischt da kaum mehr mit. Und die Lehrer*innen
werden zu Befehlsempfängern degradiert.
Im Joch von Kompetenzunterricht, Testtsunamis und schulautonom mächtiger werdenden Direktor*innen bleibt all das wohlgeordnet in Kästchen stecken, das Schule eigentlich lehren sollte:
Kreativität, Freiheitsliebe, demokratisches Handeln.
Irgendwie, mit viel Liebe, Hingabe und Besorgnis.
Trotz alledem: Wir haben uns daran gewöhnt, dass wir nur mehr damit beschäftigt sind, irgendwie die Schüler*innen durch dieses Reformdickicht durchzuführen und selbst dabei normal zu bleiben.
Hopmann weiß das zu würdigen: „Wer es in 20 Jahren trotz Unruhe durch PISA,Druck durch Politik, Spannungen in der Gesellschaft geschafft hat, nicht schlechter zu werden, hat den Laden doch
gut im Griff. Das war eine fantastische Leistung der Lehrer, für die wir dankbar sein müssen.“
Zum gesamten Interview mit Stefan Hopmann nur ein Klick: Hier
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