Absurd ist der von den türkisblauen Regierungsparteien forcierte politische Diskurs in Österreich. Die Regierungsparteien haben nichts Besseres zu tun, als das christliche Abendland vor dem
angeblichen Massenansturm kleiner Mädchen zu retten, die ein Kopftuch tragen. Und oberösterreichische Lehrer sollen demnächst alle Schüler sanktionieren, die in der Pause eine andere Sprache als
die deutsche verwenden
, schreibt

Anton Pelinka in seinem Kommentar:
Erfundene Bedrohung – Kopftuchverbote bedrohen die demokratische Ordnung. Die Regierung schafft absichtlich Scheinprobleme. (DIE ZEIT)

Diese Einschränkung der Freiheit ist – zumindest latent – totalitär
Dass sogar die Opposition (SPÖ und Neos) anfangs noch „Gesprächsbereitschaft“ über das Kopftuchverbot signalisierte und nicht unmissverständlich die Regierung wegen des geplanten Verstoßes gegen
die Grundrechte zurechtwies, interpretiert Pelinka so: So sehr hat die Angst vor der politisch geförderten Hysterie der „Wutbürger“ schon die Rationalität österreichischer Politik zerstört,
dass die Vermutung, „unsere Werte“ würden durch die Kopftücher kleiner Kinder gefährdet, die öffentliche Diskussion vergiftet.

Es ist doch offensichtlich, dass die Regierung nur vorgibt, die freiheitsbeschränkende Wirkung religiös motivierter Kleidung zu bekämpfen, aber de facto mit ihren Maßnahmen böswillig den Menschen
die freie Wahl verweigert, sich für eine oder keine Kopfbedeckung zu entscheiden. Diese Einschränkung der Freiheit ist, so Pelinka, – zumindest latent – totalitär. Dass darauf kein/e
einzige/r Nationalratsabgeordnete/r darauf reagierte, sondern ein römisch-katholischer Theologe wie Paul Zulehner, zeigt nur, wie tief die politische Auseinandersetzung sinken kann;
und wie bösartig sie geworden ist.

Willkommen im Land, in dem Lehrer mit den Aufgaben eines paranoiden Quasi-Stalinismus überfrachtet werden.
In der Folge zeigt Anton Pelinka auf, in welche Richtung die türkisblaue Koalition Österreich treibt. Ginge es nach den Vorstellungen des rechts von rechts angesiedelten Flügels der Koalition,
wäre es in naher Zukunft (in Oberösterreich vielleicht schon gelebte Praxis) – zwar demokratie- und gesellschaftspolitisch unfassbar – aber durchaus möglich, dass in öffentlichen Schulen
Lehrerinnen vor die Frage gestellt werden, ob die so fremd klingenden Töne – aufgefangen auf einem oberösterreichischen Pausenhof – eine alemannische Dialektform (und daher „deutsch“) oder aber
albanisch (und damit „fremd“ und verboten) sind. Oder ob in einem öffentlichen Kindergarten in Wien die Kopfbedeckung, die oft junge männliche Sikhs tragen (als „Einübung“ in ihre religiösen
Traditionen), dem islamischen Kopftuch der Mädchen gleichzusetzen ist. Willkommen im Land, in dem Lehrer mit den Aufgaben eines paranoiden Quasi-Stalinismus überfrachtet werden.

Nur die Proteste der Zivilgesellschaft können noch helfen
Offensichtlich sind der türkisblauen Politik mit der Angst keine Grenze gesetzt. Es kann noch schlimmer kommen, mahnt Pelinka. Und die lahme Reaktion der parlamentarischen Opposition
zeigt, dass dagegen nur die Proteste der Zivilgesellschaft helfen können.

Mobilisiere Emotionen: Schaffe Scheinprobleme, erfinde Bedrohungen, erzeuge Angst
Das alles folgt einer klaren Logik: Schafft Scheinprobleme, erfindet Bedrohungen, erzeugt Angst – und mobilisiert dann die so hervorgebrachten Emotionen. Kurz und Strache haben uns im
erste Regierungsjahr der türkisblauen Koalition vorgeführt, zu welchen unfassbaren Taten diese menschenfeindliche und demokratiegefährdende Politik imstande ist – „ihr werdet euch noch wundern,
was alles möglich ist!“. Nur eine starke humanitäre Gegenposition, ein mächtiger Protest der Zivilgesellschaft, kann diese so dumme, wie gefährliche Entwicklung aufhalten.


Es geht um die Verteidigung von Grundrechten …
Anton Pelinka schließt seinen Kommentar mit einem eindringlichen Appell: Es geht um Grundwerte, die von denen bedroht werden, die mit Berufung auf Grundwerte ebendiese einschränken wollen,
ohne den geringsten Nachweis einer tatsächlichen Bedrohung der demokratischen Republik. Es besteht die Gefahr, dass den Bürgern dieser Republik eingeredet werden soll, Kopftücher in Kindergärten
und nicht deutsche Worte in oberösterreichischen Schulen würden an der Stabilität einer Ordnung rütteln, in deren Mittelpunkt der Respekt vor der Freiheit jedes Menschen steht.

Die demokratische Republik und ihre Ordnung können mit vielem leben – vor allem mit der Vielfalt politischer und religiöser Art. Diese Vielfalt macht Demokratie aus. Bedroht ist die
demokratische Ordnung von jenen, die diese Vielfalt infrage stellen.

ms