Der Tänzer
Koffi Kôkô und die westafrikanische Philosophie des Vodun

Koffi Kôkô ist nicht nur jenen bekannt, die ihn von Impulstanz (https://www.impulstanz.com) in Wien kennen, wo er seit 2001 sowohl mit Performances als auch Tanzlehrer zu sehen und erleben war.

 

Er ist in Ouidah (Benin) geboren und lebt teilweise dort und in Paris. Seit 1980 tritt er in Soloproduktionen und Gruppenchoreographien weltweit auf. 40 Choreografien hat Koffi Kôkô bisher
entwickelt. 2015–2017 war er Fellow am International Research Centre an der FU Berlin. Er zählt zu den bedeutendsten Mitbegründer*innen des modernen afrikanischen Tanzes.

Johannes Odenthal ist Gründer der Zeitschrift tanz aktuell und künstlerischer Leiter von Programmreihen, Festivals und Ausstellungen. Von 1997–2006 leitete er das Berliner Haus der Kulturen der
Welt seit 2006 die Akademie der Künste in Berlin. Aufgrund dieser Tätigkeiten kennt er Koffi Koko seit über 30 Jahren. Nun war es Zeit, in Koffi Kokos Heimat zu reisen und zum anderen ein Buch
über Koffi Koko zu machen.

 

Das Buch ist sehr gut strukturiert aufgebaut. Das Geleitwort schrieb Gabriele Brandstetter. Vorbemerkungen sind von Johannes Odenthal.

 

Der Inhalt umfasst, was in drei Kapitel geteilt ist und folgende Überschriften benennt:

Reise nach Ouidah 2017 / Initiation auf der Bühne, Berlin 1987 / Die Kommunikation zwischen den Kulturen. Erstes Gespräch 1987 / Passage von 1984 und Xam von 1989 / Die Initiation in die
zeitgenössische Kunst / Vom Zustand einer unendlichen Potentialität. Ein Gespräch 1995 / VIFâ, das Orakel des Vodun / Das Erbe des Kolonialismus / Die Freimaurer: Eine andere Geschichte der
Aufklärung / Die Sklaverei und das kulturelle Gedächtnis / Ouidah als Modell: Synkretismus als gesellschaftliche und politische Form / Vodun als Philosophie / Die innere Arbeit als Gegenmodell
zur Globalisierung. 7 Der Körper ist eine Bibliothek. / Die tänzerischen Dialoge / Labeautédu diable: Koffi Kôkô und sein konsequenter Weg einer Spiritualität im Theater / Der Tanz ist eine
Metapher des Lebens:

 

Ein Glossar und das Werkverzeichnis Koffi Kokos schließen das Buch ab.

 

„Die sechzehn Kapitel bilden eine Komposition, ein Mosaik, das eine Gleichzeitigkeit versucht gegen eine Chronologie der Ereignisse.“ Das Mosaik besteht aus journalistischen Beiträgen,
Interviews, Tagebuchnotizen, Reiseaufzeichnungen, dramaturgische Texte, Stückbeschreibungen und Vorträge.

Dem Autor ist es gelungen, einen Einblick in die Tanzwelt, die Lebenswelt ist, in all seiner Komplexität zu geben. Er erzählt auch von seiner Initiation, die er bei seinem Aufenthalt erfuhr. Im
Zentrum steht Koffi Kokos Tanzwelt, die politische und familiäre Vergangenheit mit den Themen, Sklavenhandel, Kolonialisierung, Katholizismus, Vodun, rituelle und kulturelle Traditionen,
traditioneller Tanz.

 

Diese Aspekte führten Koffi Koko zu der Frage: Wie soll die Gegenwart gestaltet, gelebt, getanzt werden?

 

„Der Tanz steht am Schnittpunkt von verschiedenen Formen des Wissens. »Du verstehst oder du verstehst nicht, aber du bist niemals nicht berührt«, sagt Koffi Kôkô.

 

„Es gibt Götter, die dich auffordern, das zu tun, was du versäumt hast zu tun. Das ist aber etwas vollkommen anderes als das Konzept einer Hölle.“

 

Der Autor: „Der Konflikt zwischen Kirche und Vodun wurde damals bis zum Papst Johannes XXIII. getragen, der entschied, sich nicht gegen den Vodun zu stellen. Das Prinzip der friedlichen
Koexistenz siegte über das der missionarischen Bekehrung. Allerdings richteten die Ältesten des Vodun auch ihre Klage an Johannes Paul II. bei seiner zweiten Reise. Sie forderten den
gegenseitigen Dialog: »Wir respektieren euch, schicken unsere Kinder an eure Schulen, lassen zu, dass sie Priester oder Ordensfrauen werden. Aber ihr Christen behandelt uns mit Herablassung«, und
erwarteten vom Vatikan »ein Wort der Ermutigung für den Weg des Dialogs zwischen den Religionen«.

Koffi Kôkô: „Die Europäer glauben nicht an unseren geistigen Beitrag zum Frieden.“

und an anderer Stelle: „Ich möchte die Erfahrungen und das Wissen einer jahrhundertealten lebendigen Tradition Westafrikas für die Konzepte eines zeitgenössischen und verantwortungsbewussten
Handelns mit den Mitteln der Tanzkunst wirksam machen.“

 

Den Abschluss des Buches ist folgender Satz: „Jeder von uns wird mit nichts aus diesem Leben gehen. Das ist das Einzige, was wir wissen. Spiritualität, wenn du so willst, ist die Vorbereitung auf
den Tod.“

 

Vieles kann nur durch das Lesen nicht in seinem gesamten Umfang erfasst werden, was in der Natur von Tanz liegt. Doch das Weltverständnis dahinter kommt in vielen Zitaten klar und verständlich
zum Ausdruck.

 

Bedauerlicher Weise fehlt in diesem Buch der pädagogische Ansatz von Koffi Kokos Tanzunterricht. Dieser hat ein Alleinstellungsmerkmal, das nicht ein einziges Mal eine Erwähnung findet.
Wünschenswert ist daher, ein weiteres Buch im Verlag mit diesem Schwerpunkt folgen zu lassen.

Passagen ist ein lesenswertes Buch, dem allerdings unbedingt eine Tanzvorführung Koffi Kokos folgen sollte. Am besten live! Denn er ist ein begnadeter Tänzer, ein besonderer Mensch, ein Zauberer
der Begegnung und der Vermittlungskunst.

 

Rezension: Ilse Seifried

http://www.i-m-seifried.at

http://www.das-labyrinth.at

 

Bildquelle: https://www.alexander-verlag.com/programm/titel/431-passagen.html