Die Vorfälle an einer Wiener HTL in der vergangenen Woche sind nicht nur Anlass für einen medialen Hype, sondern auch Ausdruck von grundsätzlichen Schwierigkeiten, Defiziten und Problemen, mit
denen Lehrer*innen jeden Tag konfrontiert sind.
Opfer und Täter, gegenseitige Schuldzuweisungen und knackige Lösungen sind da schnell zur Hand.
Wir meinen, dieser eskalierte Konflikt hat vielfältige Ursachen und weist auch auf Versäumnisse hin. Er sollte Anlass sein, ein paar Dinge grundsätzlich anzudenken und anzugehen. Dazu möchten wir
mit unserem Appell einen Anstoß geben.
Unser Appell richtet sich an Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen, aber vor allem an die Verantwortungsträger*innen in Bildungsdirektionen und im zuständigen Ministerium. Nicht zuletzt laden
wir auch die Medien – ohne die ein breiter Diskurs nur schwer möglich ist – zu weiteren Kooperationen ein.
Ein Appell für eine bessere Konfliktkultur in Schulen
von Gerhard Pušnik und Katharina Bachmann
Es gibt keine Schulen, Klassen und Gruppen ohne Konflikte. Die Frage ist, werden sie wahrgenommen, angesprochen, aufgegriffen, bearbeitet, gelöst.
Niemand wird bestreiten, dass eine gute, intakte Lehrer*innen-Schüler*innen-Beziehung, die auf gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Wertschätzung beruht, eine entscheidende Voraussetzung für
erfolgreiches Lehren und Lernen ist.
Das Wissen,
- wie kommuniziert werden soll,
- was vermieden und was forciert werden soll,
- wie wirkungsvolle Präventions-Strategien umgesetzt und
- Interventionsmaßnahmen eingesetzt werden können,
ist vorhanden, ist in zig Publikationen erörtert worden, gibt es in der Literatur, in einschlägigen Beratungseinrichtungen und auch bei zahlreichen LehrerInnen, die Zusatzausbildungen im
psychosozialen Bereich gemacht haben (Mediation, Coaching,
Konfliktmanagement).
Es ist nicht der Konflikt, der die gegenseitige Wertschätzung von Lehrer*innen und Schüler*innen gefährdet. Der unangemessene Umgang mit Konflikten ist das Wesentliche und Brisante, das, was
Gesprächskultur zerstört und Konflikte eskalieren lässt.
Fragen, die sich stellen:
− Was lässt Schulkulturen entstehen, die Gewalteskalation zulassen?
− Was brauchen Schulen, damit eine gute, konstruktive Konfliktkultur entsteht und Prävention greift?
− Was hindert die Verantwortlichen, notwendige, moderne, kreative und innovative Unterstützungssysteme zu
finanzieren?
− Wieso wird die offenkundige Überforderung des Bildungsministeriums und der Schulverwaltungen ignoriert?
− Weshalb ertönt bei Problemen im Schulbereich sehr schnell der Ruf nach autoritären Erziehungs-, Disziplinierungs-
und (Straf-) Sanktionsmaßnahmen?
Wir wissen doch:
- Schule muss vieles von dem, was Eltern- und Erziehungsberechtigte leisten sollten (aber nicht wollen oder können) kompensieren, auffangen, ausbügeln.
- Dass Lehrer*innen dazu eben nur zum Teil in der Lage sind, mit schwierigen Schüler*innen klar zu kommen
- Lehren und Lernen, Beziehungen aufbauen und pflegen auch gute Rahmenbedingungen brauchen
- Dass gesellschaftliche Veränderungen, verbale und nonverbale Radikalisierungen, soziale Widersprüche sich auch auf Schule negativ auswirken.
Lehrerinnen und Lehrer erfahren seit langer Zeit und erleben tagtäglich in ihrer Arbeit,
− dass ihre Erfahrungen und Erlebnisse bei schulpolitischen Entscheidungen kaum Berücksichtigung finden,
− wie unbefriedigend schulisches Lehren und Lernen unter schlechten Rahmenbedingungen ist,
− dass Bildungspolitik in Österreich über weite Strecken parteipolitisch motiviert und ausgerichtet ist,
− die Regierung keinen Ansatz findet, um das öffentliche Bildungssystem besser auszustatten und lehr- und
lerngerechter zu machen.
Unsere konkreten Vorschläge:
-
KV-Stunde + Soziales Lernen für jede Klasse und Klassen-Lehrer*innen-Teams
(eingerechnet in die Lehrverpflichtung), - Mentoring für Schüler*innen in Kleingruppen,
- Pädagogisches Leitungsteam auf Zeit statt verwaltende Schuldirektor*innen,
- medizinisch-psychologisch-sozialarbeiterische-3er Teams an jede Schule,
- Blick über den Zaun: schauen wir nach in anderen Ländern.
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