Bericht von der Demonstration der Bildungsinitiative OÖ für eine gemeinsame Schule aller PflichtschülerInnen, für eine demokratische Schule und für mehr Geld für Bildung.
Selten prägen tiefgreifende und umfassende Analysen der aktuellen Situation, zukunftsorientierte Idealvorstellungen und vollständig begründete Forderungen das inhaltliche Bild von
Demonstrationen, wie bei der Demonstration der Bildungsinitiative OÖ „für eine gemeinsame Schule aller PflichtschülerInnen, für eine demokratische Schule und für mehr Geld für Bildung“.
Redner/innen mit großer Erfahrung im Bildungssystem, in der Bildungspolitik und Gewerkschaftsarbeit beeindruckten und konnten die Anliegen der Bildungsinitiative überzeugend argumentieren.
Stellvertretend für alle Redner/innen seien hier Renate
Brunnbauer
und Reinhart Sellner erwähnt.
Reinhart Sellner, UGÖD-Vertreter in der ARGE LehrerInnen und im GÖD-Vorstand, ist ein profunder Kenner des österreichischen Bildungssystems und der Bildungspolitik und kennt die Ursachen der
aktuellen Bildungssystemmisere sehr genau.  Renate Brunnbauer, Pflichtschullehrerin und Vorsitzende der kuli-UG, zeigt in ihrer Rede eindrucksvoll die Folgen der reaktionären Bildungspolitik
aus der Sicht einer engagierten Pflichtschullehrerin auf.  

 

Für Renate Brunnbauer ist die Einführung der Gemeinsamen Schule der 6 bis 14-Jährigen die dringlichste Forderung an die österreichische Bildungspolitik. Als Pflichtschullehrerin weiß Brunnbauer,
was es heißt, wenn die Schüler/innen der 4. Klasse Volksschule im Februar die Schulnachricht bekommen, die ihre weitere Bildungskarriere, AHS oder NMS, meist endgültig bestimmt. „Für die
neuneinhalb jährigen Kinder, für ihre Eltern, aber auch ihre LehrerInnen ist der Druck enorm.“ Denn die Neuen Mittelschulen seien gegenüber der AHS im Nachteil, vor allem, „wenn sie
leistungsstarke Kinder aus bildungsnahem Familien gewinnen wollen. Sie haben gegen die AHS-Unterstufe keine Chance und werden – besonders in Städten – schnell zu Schulen zweiter Wahl.“ Und sie
ärgert sich, dass zwar „alle Jahre über diesen Sortiermodus gejammert“ wird, aber nichts an diesem zutiefst ungerechten System geändert wird. Aber abgrundtief zynisch ist das Gejammer jener, die
das System aufrecht erhalten wollen, weil es ihr Klientel bevorzugt. Unerträglich sei es, wenn zum Beispiel der Präsident des Bundesverbands der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen
(BEV), Gernot Schreyer, den Lehrer/innen der Volksschule empfiehlt, „in den 4. Klassen gerechtere Noten zu geben“, so Brunnbauer.
Und auf das Argument der Reformblockierer, es sei kein Geld für teure Bildungsreformen da, weist die Lehrerin und Personalvertreterin entschieden zurück: „Was wir uns definitiv nicht leisten
können ist ein Bildungssystem, das Talente verschwendet. Wir brauchen eine echte gemeinsame Schule. Die NMS wird die ungerechte frühe Selektion nicht verhindern können.“ Und dafür genüge es
nicht, „wenn Herr Mitterlehner erklärt, dass er intellektuell verstanden hat, dass Bildung wichtig ist. Wir brauchen eine reale Finanzierung, wir brauchen echtes Geld keine leeren Worte.“ 
Laut Brunnbauer muss Österreich endlich die Chancen ergreifen, die eine Gemeinsame Schule bietet: „Und genau aus diesen Gründen können wir uns die derzeit geplante Bildungsreform nicht leisten.
Das sogenannte Reformpapier ist geprägt von Minimalkonsens, Rückschritten und Verhinderungsklauseln.“

Reinhart Sellner, UGÖD-Vertreter in der ARGE LehrerInnen und im GÖD-Vorstand, nennt gleich zu Beginn seiner Rede die erforderlichen Voraussetzungen für eine Grundlage, auf der sich ein
erfolgreiches Bildungssystem entfalten kann: „Bildung kostet. Der Sozialstaat kostet. Wir brauchen keine weiteren Bildungssparpakete, keine Fortsetzung von Bildungs- und Sozialabbau, sondern eine
soziale, demokratisch verfasste Budgetpolitik, in Österreich, in der EU und weltweit.“ Sellner ortet ein Schlüsselfehler der österreichischen Bildungspolitik in der „Austeritätspolitik der
österreichischen Bundesregierung“. Sie exekutiere unreflektiert EU-Budgetrichtlinien, die sich nicht an den Bedürfnissen der Menschen, sondern an den Wünschen „des deutschen und europäischen
Finanzkapitals, [der] Expansion und Profitmaximierung“ orientiert. Sichtbare Folgen davon sind, so Sellner: „Deregulierung und Aushebeln von ArbeitnehmerInnenrechten, Arbeitslosigkeit und
Pensionskürzungen, steigende Armut für viele und wachsender Reichtum für immer weniger.“
Darüber, dass die global vorherrschende Ideologie des Neoliberalismus ursächlich für die unsoziale und unfaire Entwicklung maßgeblich dafür verantwortlich ist, ist für Sellner klar und ruft in
diesem Sinne zur Unterstützung des Europäischen Gewerkschaftsbundes in seiner Forderung für „den Vorrang sozialer Rechte gegenüber Wirtschaftsfreiheit und Rating-Agenturen“.
Im zweiten Teil seiner Rede greift Sellner drei aktuelle bildungspolitische Hotspots, die gemeinsame Schule, gemeinsame LehrerInnen und die gemeinsame Bundesschulverwaltung, auf: „Die
ÖVP-Standespolitiker und machtbewusste Landeshauptleute wollen keine gemeinsame Schule, keine Schulautonomie in Bundeszuständigkeit, sondern den Ist-Zustand für weitere Jahrzehnte
einzementieren.“ Diese Blokadehaltung der ÖVP und die Angst der SPÖ vor Schwarz-Blau, verhindern seit Jahren eine „längst fällige Bildungsreform hätte eine qualitätsvolle gemeinsame Schule aller
Schulpflichtigen statt weiterbestehender Früh“selektion“, eine Demokratisierung der Schulstrukturen statt einer Verschärfung der Hierarchie und dringender weise ausreichende Ressourcen statt
Weitersparen bedeutet!“