Sehr geehrte Bundesministerin Frau Heinisch-Hosek!
Sehr geehrter Herr Ing. Saverschel, MBA!
Sehr geehrte RedakteurInnen!

Betreff: Bundeselternverband-Pressekonferenz am 5. Juni 2015: 
„GeGendern – Gegen Gendern in Schulbüchern“

Vor dem Gesetz gibt es in allen wesentlichen Belangen keine Schlechterstellung der Frauen mehr. Gleichberechtigung ist theoretisch umgesetzt, praktisch fehlt es noch an Vielem (gleiche Bezahlung
für gleichwertige Arbeit etc.). Die allerletzte Bastion des alten patriarchalen Systems steht nun unter Beschuss: Die Sprache. Der Bundeselternverband (BEV) will sie nicht
geschlechtergerecht.

Wir stimmen zu, dass
+ es an einem rechtlich verbindlichen Regelwerk der amtlichen
deutschen Rechtschreibung bzgl. gendergerechter Sprache fehlt (wie Prof. Ruiss aufzeigte).
+ das Fehlen eines solchen Regelwerks tatsächlich nicht nur
Unsicherheiten, Diskussionen sondern auch Probleme bereitet (z.B. beim Maturafach Deutsch).
+ ein solches bereits hätte beschlossen werden sollen und dass dieses
bis spätestens 2018 fixiert sein muss. Denn auch Schulbuchautor_innen benötigen einzuhaltende Sprach- und Rechtschreibregeln.
+ als Lösung die Schreibweise LehrerInnen nicht angeht, da diese
weitere Geschlechter ausschließt und „Lehrer_innen“ aus diesem Grunde zu bevorzugen ist.
+ Frau BM Heinisch-Hosek nicht konsequent in ihrer Sprache bzw. 
Website bzw. ihren Aussendungen die vom BM herausgegebenen Richtlinien anwendet.

Wir stellen fest, dass
– es vom BEV keine Vorschläge gibt, um den Beschluss der UNESCO von
1993 (Richtlinien für eine nicht sexistische Sprache) und EU umzusetzen – wie z.B. vor kurzem in Schweden die Ergänzung zum „sie“ / „er“ ein drittes Wort kreiert wurde (hen), das dann eingesetzt
wird, wenn es egal ist, ob es sich um Männer oder Frauen handelt oder wenn unbekannt ist, ob es sich um Frauen oder Männer handelt
– Forschungsergebnisse den Damen und Herrn des BEV (auch Prof. Pohl) und dessen Unterstützer_innen bzgl. „Frauen werden nicht mitgedacht in rein männlichen Sprachformen“ unbekannt sind
(Beispiele: UNI Hamburg 2012, UNI Bern 2005, UNI Mannheim 2002)
– bereits mehrere Medien sowie Autor_innen gendergerechte Sprache umsetzen (Ö1 gehört gehört, Der Standard, ..) und dies in Abrede gestellt wurde. Bereits die Werbung setzt diese bewusst und
gezielt ein (C/M/S: Liebe(r) LeserIn, diese Anzeige kann Euros retten.)
– auch wenn angeblich 80% das Gendern ablehnen, die Frage zu stellen ist, warum sie das tun und ob sie dies aufgrund irrtümlicher Voraussetzungen tun
– die Behauptung „Gegenderte Schulbücher lenken den Fokus auf eine sachfremde Ebene“ eine Behauptung ist, die bisher nicht bewiesen wurde
– die Behauptung, Kinder mit nicht deutscher Muttersprache seien mit gegendeter Sprache überfordert, nicht bewiesen ist und der Schulalltag das Gegenteil zeigt
– der Aspekt der Sozialisation für Mädchen nicht einmal angesprochen oder mitgedacht wurde. Gerade Mädchen aus patriarchalen Gesellschaften schätzen es sehr, sprachlich erwähnt zu sein, genannt
zu sein, gemeint zu sein!
– Traditionen nicht erstarren sollen sondern sich dem Leben gewinnbringend anpassen sollen. An den männlichen veralteten Sprachformen festzuhalten, das ist Ideologie (Ideologie wirft Herr
Dr. 
Kubelik jenen vor, die gendergerechte Sprache gesetzlich verankert sehen wollen.)
– gendergerechte Sprache ein Frauenrecht und damit ein Menschenrecht ist – und keine Schikane der Frau BM Heinsich-Hosek!
– der Begriff „Zwangsbeglückung der Kinder“ im Zusammenhang mit gendergerechter Sprache gänzlich fehl am Platz ist. Das zeigt von mangelnder Sachkenntnis des Herrn NR Ing. Lugar.
– Mädchen gesehen und gehört werden wollen – und auch sich selbst in der Sprache sichtbar ausdrücken. Auch wenn Fr. Dr. Schmid solches aus ihrem Bekanntenkreis (noch) nicht kennt. Wenn es ihr
selbst egal ist, ob sie mit „Arzt“ oder „Ärztin“ bezeichnet wird, ist das eine persönliche Meinung, die ihr zusteht, jedoch kein gesellschaftspolitisches Argument.
– das Wort „Gehirnwäsche“ im Zusammenhang mit gegenderter Sprache von Unkenntnis der Sachlage des Herrn Ing. Saverschel zeugt. Dass dieser der Meinung ist: „Feministische Bildung nimmt die Kinder
in Geiselhaft. Wir lassen Feminismus nicht zu!“ zeigt, wie wichtig feministische Ansätze in allen Schulbüchern formal wie inhaltlich wirklich notwendig sind.

Aussagen wie „In Deutschland gibt es eine Bundeskanzlerin. Ich glaube, da ist das Sprachproblem nicht so groß wie bei uns.“ sind ein Beleg, dass z.B. Senta Trömel-Plötz und all die anderen
Sprachwissenschafter_innen, die zum Thema arbeiteten, gänzlich unbekannt sind und aus persönlichen Befindlichkeiten, aber nicht auf einer Fach- und Sachebene zum Thema gesprochen wird.

Hätte der Feminismus nicht den Universitätszugang und das Wahlrecht etc. für Frauen erkämpft, könnte ich heute diese Zeilen nicht schreiben und veröffentlichen!
Solange es Statements wie heute vom BEV gibt, ist Feminismus bitter nötig!

Ilse M. Seifried, Mandatarin der ÖLI (apfl-UG) in Wien, seifried@oeli-ug.at