Was hier passiert, ist unzumutbar.
Kommentar von Bernhard Golob
Ich bin AHS-Lehrer für Deutsch und Geschichte und war dieses Schuljahr Klassenvorstand einer 8. Klasse Gymnasium. Parallel dazu maturiert meine 18-jährige Tochter gerade (an einer anderen Schule)
ebenfalls im gymnasialen Zweig. Ich kenne die Thematik „ Mathematik-Matura“ also aus zwei Perspektiven – als Lehrer und Vater.
Und das Ergebnis ist das Gleiche: was hier passiert, ist unzumutbar.
Unzumutbar für die Jugendlichen, die sich für den gymnasialen Zweig entschieden haben, weil sie Sprachen lieben und dann kaum Zeit für den Sprachunterricht haben, weil sie die ganze Zeit
Mathematik büffeln müssen – und trotzdem ständig Fünfer schreiben.
Unzumutbar für die Eltern, die ständig Geld für Mathematik-Nachhilfe ausgeben müssen, während das Kind mit vergleichsweise moderatem Einsatz deutlich bessere Noten in den Sprachfächern nachhause
bringt.
Unzumutbar für die Nicht-Mathematik-LehrerInnen, deren Fächer de facto abgewertet werden, weil sich alles nur noch um Mathematik dreht.
Und – last but not least – unzumutbar für jene humanen und reflektierten MathematikerInnen, denen das Wohl der SchülerInnen ein Anliegen ist. Sie stehen vor einem fast unlösbaren Dilemma:
Entweder brav den viel zu umfangreichen Stoff im Eiltempo durchpeitschen (wohl wissend, dass dann viele SchülerInnen sicher nicht mitkommen) oder sich doch die nötige Zeit zum Erklären und Üben
nehmen – und dann den riesigen Stoffberg schlicht nicht durchbringen können.
Als Vater kann ich aufatmen: Nach mehr als zwei Wochen des familiären Zitterns die erlösende Nachricht: knapp hat meine Tochter die Mathematik-Klausur doch geschafft. – Viele ihrer KollegInnen,
viele meiner SchülerInnen leider nicht. Die bangen jetzt vor der Kompensationsprüfung am 5. / 6. Juni. Und zahlen noch mehr Nachhilfe.
Hätte meine sprachaffine Tochter nur die Hälfte der Energie, die sie in den letzten vier Jahren notgedrungen in Mathematik stecken musste, in eine weitere Fremdsprache investieren können, spräche
sie heute perfekt Russisch oder Arabisch. Und sie ist das Kind zweier AHS-Lehrer. Was dieser ganze Mathematik-Stress für viele Jugendliche aus bildungsferneren Schichten bzw. mit
Migrationshintergrund bedeutet, kann man sich unschwer vorstellen.
Dazu kommt als Krönung der Absurdität, dass die Mathematik-Matura im – sprachbezogenen -gymnasialen Zweig die gleiche ist wie im naturwissenschaftlich orientierten Realgymnasium – obwohl es dort
mehr Mathematik-Jahreswochenstunden (und eine Fremdsprache weniger) gibt. – Erklärung dafür? Des is` halt so …..
Darum: Was hier passiert, ist unzumutbar.
Herr Minister Faßmann, bitte handeln Sie!
Mag. Bernhard Golob, Schulschiff, 1210 Wien
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