Am „WeltlehrerInnentag“ gab es eine ÖLIUG-Medienaussendung zum LehrerIn-Arbeitszeitmodell, weil ihre VertreterInnen meinen, der Öffentlichkeit und vor allem den Bildungsverantwortlichen muss wirklich einmal erst bewusst werden, was Lehrkräfte wirklich leisten. Der Autor möchte das anhand eines einfachen Rechenbeispiels verdeutlichen. Die Arbeitszeit einer Lehrkraft beträgt im Monatsschnitt 173,2 Stunden (dies ist auch in der Zeile „Einstufungsdaten“ in der Stammdatenauswertung im Portal Austria des BRZ ersichtlich). Die 173,2 Stunden sind also in allen 10 Monaten des Unterrichtsjahres zu leisten. Das ergibt eine errechnete Jahresarbeitszeit von 1732 Stunden[1] für Unterricht, Vor- und Nachbereitung, Korrekturarbeit und notwendige administrative Arbeit. Das Unterrichtsjahr umfasst dabei insgesamt 36 Schulwochen.
Lehrkräfte erarbeiten sich die Ferien – nur kein schlechtes Gewissen
Wenn man annimmt, dass die 1732 Stunden in den 36 Schulwochen geleistet werden, ergibt das eine Wochenarbeitszeit von etwas mehr als 48 Stunden für Unterricht, Vor- und Nachbereitung und notwendige administrative Arbeit, wenn man vollbeschäftigt ist (und einen Vertrag von 20 bis 22 Unterrichtsstunden hat). Im Vergleich dazu beträgt die Wochenarbeitszeit im öffentlichen Dienst nur 37,5 Stunden (gemäß VwGH-Entscheidung Ra 2015/120051). Das Arbeitszeitmodell für Lehrpersonen sieht also eine um 10,5 Stunden erhöhte wöchentliche Arbeitszeit vor. Das ergibt für die 36 Schulwochen 378 Stunden die Lehrkräfte so ansammeln. Sie erarbeiten sich also rund 10 Wochen an Zeitguthaben.
Dieses Zeitguthaben bauen die Lehrkräfte mit ihrem 5-Wochen-Urlaubsanspruch in den „Ferien“ ab, also in den 2 Wochen Weihnachtsferien, 1 Woche Herbstferien, 1 Woche Semesterferien, 1 Woche Osterferien und den 9 Wochen Sommerferien. Die restlichen Tage entfallen auf die schulautonomen Tage.
Lehrkräfte arbeiten aber mehr als 48 Stunden in der Woche
Das LehrerIn-Arbeitszeitmodell geht also von einer 48-Stundenwoche als Norm aus. Aber Ist das realistisch? Dazu benötigt es einen Blick auf die der Gewerkschaft lange versprochene Arbeitszeitstudie durch das Bildungsministerium. Diese gibt es aber nicht in aktualisierter Form. Bereits die letzte Erhebung vor 24 Jahren (1999) für LehrerIn 2000 hat gezeigt, dass die 1732 Stunden an Jahresarbeitszeit bei einer Vollbeschäftigung nicht einhaltbar sind, dabei sind ständig neue Arbeitsbelastungen hinzugekommen und der jüngste OECD Bericht „Bildung auf einem Blick 2023“ bestätigt darüber hinaus noch, dass gut ausgebildete Lehrkräfte weniger verdienen als andere Vollzeitbeschäftigte mit einem gleichzuhaltenden Hochschulabschluss. Es ist müßig darauf hinzuweisen, dass diese Ungerechtigkeit in Österreich noch größer ist als in anderen Ländern.
Der aktuelle Forschungsstand zu Arbeitszeiten und Arbeitsbelastungen von Lehrkräften zeigt, Lehrkräfte arbeiten mehr und das bei schlechter Bezahlung. Das ist die einzige Konstante eines an und für sich schönen Berufbildes.
Bildungsverantwortliche haben sich mit Schulrealitäten auseinandersetzen
Die VertreterInnen von der ÖLIUG verlangen von den Bildungsverantwortlichen und empfehlen den Bildungsinteressierten, sich auch mit den Arbeitsrealitäten von Lehrkräften auseinanderzusetzen, denn dann wäre ein für alle Mal Schluss mit dem LehrerInnen-Bashing! Selbst bei Zeitknappheit würden fünf Minuten der Wertschätzung zum Lesen dieses FAZ-Artikels „Wie lange halten Lehrer durch?“ vom 4. Oktober über die Arbeitsbelastung in der Schule genügen. Darin zeichnet der Arbeitswissenschaftler Frank Mußmann, der zur Arbeitszeit von Lehrkräften forscht, ein Bild über eine ganz normale Schulwoche einer Lehrkraft. Er meint, dass gerade das ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden soll, schließlich haben Lehrerkräfte im Vergleich zu anderen Beschäftigten einige arbeitsfreie Wochen („die Ferien“) mehr. Recht hat er. Die Öffentlichkeit soll wissen, dass Lehrkräfte ihre Ferialzeiten einarbeiten.
Eine weitere Überraschung gibt ebenfalls zu denken: Das Unterrichten selbst, die eigentliche Kernkompetenz von Lehrenden, laut Schulforschung der Garant für den Lernerfolg, nimmt oft nur noch 30 bis 40 Prozent der Arbeitszeit von Lehrkräften ein.
Jede Person, die über Lehrermangel spricht, sollte wissen, es sind die Rahmenbedingungen: Die hohe Arbeitsbelastung unter dem Schuljahr, das unzureichende Unterstützungssystem, die schlechte Bezahlung und das ständige Jammern über die Ferien – die sich Lehrkräfte erarbeiten und dringend zur Regeneration brauchen – machen den Lehrkräften zu schaffen. Sie haben sich das nicht verdient. Sie verdienen sich Wertschätzung, weil sie trotz dieser widrigen Umstände noch immer gerne mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten. Das macht den Beruf LehrerIn für sie noch immer zu einem schönen Beruf.
Nur, wenn alle diese Arbeitsrealitäten ernst nehmen, kann es sich für sie zum Besseren verändern.
[1] Das vom Bildungsministerium erdachte Arbeitszeitmodell ist allerdings eine Spur komplexer und sieht für eine Lehrkraft zwischen 1 736 und 1 776 Jahresstunden vor.
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