Text von Konstantin Wecker auf seiner FB-Seite
Liebe Freunde,
schon seit langem frage ich mich, weshalb es nicht jedem klar denkenden Menschen offensichtlich ist, dass jemand, der sich bereichert, weil er scheinbar aus Geld mehr Geld macht, schlicht zu den
Strauchdieben unserer Gesellschaften zählt, deshalb nämlich, weil dieser Galgenvogel bei derart wundersamer Geldvermehrung in Wirklichkeit nichts anders tut, als sich aus unbezahlt bleibender
Arbeit den Profit unter den Nagel zu reißen. Weshalb es auch völlig falsch ist, die Armen, die Flüchtlinge, die Arbeitslosen und wen auch sonst noch mit derartigen Vorwürfen zu überziehen – so
zum Beispiel geschehen bei Sloterdijk, der die Reste unseres Sozialstaates als „Kleptokratie“ bezeichnet hat, als „Herrschaftsordnung des Diebstahls“, und gipfelnd in Begriffen wie „Schmarotzer“
– so die BILD-Zeitung – oder „Parasiten“ – so der Ex-‚Sozialminister Wolfgang Clement, SPD -, gipfelnd in Hetzvokabeln also, die zu den miesesten Entmenschlichungsvokabeln eines Adolf Hitler
gegenüber den Juden gehörten.
Nennen wir sie daher ruhig beim Namen, diese Wegelagerer unserer Gesellschaft: es sind die Finanzspekulanten, die das Geld benutzen, als Waffe nämlich, um anderen, den arbeitenden Menschen,
das eigentlich wohlverdiente Geld klauen.
Es kann sehr lehrreich sein, sich hin und wieder die Zeit zu nehmen, um sich den Klassikern zu widmen. Zum Beispiel dem Philosophen und Staatstheoretiker Aristoteles, 384 – 322 v. Chr.
Ernst Bloch, der ihn „breiter, gelehrter, enzyklopädischer als Platon“ schätzte, sagte einmal, er sei der, vor dem Karl Marx seine sämtlichen Hüte gezogen hätte.
Und dann findet man sich immerhin von einem sehr sehr alten Text bestätigt, wenn man bei Aristoteles liest:
„Die Produktion und der Verkauf eines sozial nützlichen Gutes mit Gewinn gehört in den Bereich der Oikonomia, der natürlichen Erwerbskunst; der Produzent hat eine gesellschaftlich
anerkannte Leistung vollbracht, für die er entschädigt wird. Dagegen könne man die reine Spekulation, das Vergrössern einer Geldmenge, ohne eine gesellschaftlich anerkannte Leistung zu erbringen,
als Chrematistik bezeichnen.“
Als Chrematistik bezeichnet Aristoteles die widernatürliche Erwerbskunst.
Und weiter:
„Viele Regierungen machen den Fehler, den Reichen zuviel Macht zu geben. Es kommt eine Zeit, da aus etwas nicht wirklich Gutem etwas wirklich Böses wird, denn die Eingriffe der Reichen sind
von zerstörenderer Wirkung für den Staat als die Taten des Volkes.“
Kommt euch das vertraut vor in diesen Zeiten?
Die Logik des Gewinnstrebens untergräbt demnach seit fast 2000 Jahren die Grundfesten des menschlichen Verstandes.
Und ich fürchte, noch nie so perfektioniert wie in diesen Jahren.
(Das Bloch-Zitat stammt aus seinen „Leipziger Vorlesungen“, Bd. 1, Seite 207, Frankfurt am Main 1985, das Aristoteles-Zitat kann man zitieren nach L. Bortis: EWR und EG. Freiburg (Schweiz)
1992, S. 64.)
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