Liebe Gewerkschaft,

Ich arbeite das fünfte Jahr und bin noch immer gerne Lehrerin. Ich muss das noch leider betonen, weil es nicht selbstverständlich ist. Ich habe 2018 mein Unterrichtspraktikum begonnen und bin somit ein Jahr zu spät dran gewesen, um ins alte Dienstrecht zu fallen. Es ist frustrierend. Ich habe als Studentin natürlich die Diskussionen um das neue Dienstrecht mitbekommen, und habe auch versucht mich zu informieren. Was ich mir nicht vorstellen konnte, dass eine Erhöhung von 20 Werteinheiten auf 22 gehaltene Stunden eine fatale Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bedeuten würde. Wie wahrscheinlich alle Leser und Leserinnen wissen, müssen die Kollegen und Kolleginnen im neuen Dienstrecht 22 h unterrichten, ungeachtet um welche Fächer es sich handelt (Anmerkung: in der Oberstufe zählt ein SA-Fach 1,1). Ich habe Englisch und Italienisch studiert, unterrichte aber nur Englisch. Mit 2 SA-Fächern heißt das, ich brauche bis zu 7 Klassen, schreibe bis zu 14 Schularbeiten im Semester, muss daneben noch Hausübungen korrigieren. Jede Lehrperson mit Korrekturfächern weiß, dass dies nicht möglich ist, ohne an Qualität einzubüßen. Während die Kollegen und Kolleginnen mit ausschließlich Korrekturfächern im alten Dienstrecht 18 Unterrichtstunden unterrichten müssen, stehe ich 4 Stunden länger in der Klasse. Zusätzlich bekomme ich die Klassenvorstandsführung in „meiner“ ersten Klasse nicht bezahlt, während die Kollegen und Kolleginnen ca. 200 € brutto (abhängig vom Vertrag) zehnmal im Jahr erhalten. Wäre ich im alten DR, hätte ich nicht nur 4 MDL mit meiner momentanen Lehrverpflichtung, sondern würde ich auch den KV bezahlt bekommen. Ich gehe davon aus, dass ich meinen KV nicht mehr loswerde, da ich ja die günstigere Variante für den Arbeitgeber bin. Allein dies bedeutet, dass mir 2000 € brutto im Jahr abgehen – auf 40 Jahre Arbeitsleben gesehen, ist das eine Menge Geld. Viele sehen nur das höhere Einstiegsgehalt, übersehen aber gerne, dass die Kollegen und Kolleginnen im PD niemals die gleiche Gehaltsstufe erreichen können, wie die Kollegen und Kolleginnen im alten Dienstrecht. Das ist ein Zuckerl, das uns der Arbeitgeber zuwirft, in der Hoffnung, dass wir nicht durschauen, dass wir langfristig gesehen enorme Einbußen erleiden müssen. Ich kümmere mich gerne um „meine“ Klasse, ich übernehme gerne Verantwortung (sonst hätte ich diesen für die Gesellschaft wichtigen Beruf nicht ergriffen) – jedoch schürt es Unzufriedenheit, wenn die gleiche Arbeit nicht gleich honoriert wir. Nun frage ich mich, ob der Gesetzgeber wirklich glaubt, den Lehrberuf damit attraktiver zu machen (mehr Arbeit für weniger Geld?) und ob er wirklich glaubt, damit die Qualität des Unterrichts zu steigern. Er lässt den Frust unter den jungen Lehrern und Lehrerinnen wachsen und lässt uns an unsere körperlichen Grenzen stoßen, da wir ja trotzdem eine gute Arbeit leisten wollen und viele Stunden in unser Schulleben investieren.

Ich verstehe jeden/jede, der/die das Handtuch schmeißt. Jeden Tag aufs Neue, frustriert es mich, dass es diese neue Zweiklassengesellschaft im Konferenzzimmer gibt. Wenn ich mich nicht beruflich umorientieren möchte, muss ich versuchen meinen Frieden damit zu schließen. Meinen Frieden kann ich nur damit schließen, wenn ich meine „Überstunden“ (verglichen mit dem alten Dienstrecht) zu Hause einspare. Anders lässt sich dieses Debakel für mich nicht lösen – und die Leidtragenden sind die Schüler und Schülerinnen. Unterrichtet wird nach dem Buch – es ist keine Zeit für zusätzliche Unterrichtsvorbereitung. Es wird weniger korrigiert, da mehr Klassen zu betreuen sind. Die jungen Lehrer und Lehrinnen sind überarbeitet und können in der Stunde nicht die Leistung bringen, die die Schüler und Schülerinnen verdienen. Trotz der Überarbeitung wollen die meisten LehrerInnen eine Spitzenleistung liefern – ein Anspruch, für den viele Wochenenden und Abende geopfert werden (müssen). Das neue Dienstrecht drückt mangelnde Wertschätzung uns Lehrpersonen gegenüber aus und das in Zeiten des LehrerInnenmangels.

Lieber Gesetzgeber, Arbeit darf nie wichtiger sein als der Mensch, der diese verrichtet. Deswegen bitte ich um die Schonung unserer Ressourcen damit wir der Verantwortung, nämlich dem Bildungsauftrag gegenüber der nächsten Generation, auch gerecht werden können.

Mit freundlichen Grüßen

eine frustrierte Lehrerin

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PS:
Passend dazu ein @oeliug-Twitter-Kommentar, der doch zum Nachdenken anregen sollte …