176 Seiten, Hardcover
Molden Verlag 2023
ISBN 978-3-222-15115-6
€ 22,00

Abb. https://www.styriabooks.at/die-besten-falschesten-zitate-aller-zeiten

Der Buchtitel macht neugierig und verspricht Unterhaltung. Dieses Versprechen löst der Wiener Philosoph und Literaturwissenschaftler Gerald Krieghofer auch ein. Er ist ein versierter und akribischer Forscher mit detailreichem Fachwissen und Humor, der die Lesenden auf seine spannenden Forschungsreisen mitnimmt.

Fakten und Fakes unterscheiden zu können, ist nicht nur in Bezug auf politische Informationen wichtig, sondern auch auf literarischem Gebiet. Denn bei Ansprachen in den Bereichen Politik, Kultur, Sport und Wissenschaft sowie bei Powerpoint- Präsentationen, Social- Media-Posts, Festen, Todesanzeigen und Diskussionen werden gerne Sprüche und Aphorismen verwendet, die mit berühmten Namen verbunden sind. Irgendwo gehört oder gelesen werden sie übernommen oder gar selbst erfunden und so zu Fakes bzw. zu Kuckuckszitaten, wie Krieghofer sie seit 2018 nennt. Er schätzt, dass 20% absichtlich falsch zugeordnet werden. Die meisten sind verursacht von Wunschdenken, Schlamperei, Vergesslichkeit und Verwechslung. „Alle prägnanten Zitate, Bonmots, Aperçus, Aphorismen, Sentenzen, geflügelten Worte und Sprichwörter haben eine Vorgeschichte, bevor sie eine feste Form gefunden haben, und spiegeln die Zeit, in der sie entstanden sind, wider.“

Krieghofer ist nicht der erste, den dieses Thema interessiert und so nennt er auch die Namen wie Kate Louise Roberts, Christopher Morley, Louella Evere, Emily Morison Beck, Elizabeth Knowles, Nigel Rees, Elaine Partnow u.a.m., die diese Spurensuche verfolgten.

Als erstes Kuckuckszitat nennt der Autor in seinem Buch jenes von Pippi Langstrumpf: „Lass dich nicht unterkriegen; sei frech, wild und wunderbar.“ Es ist auf Postkarten zu finden, beliebt bei Motivationstrainer:innen und tausendfach gepostet, doch es stammt nicht von Astrid Lindgren. Seine amüsante Recherche führt über ein Frauenratgeberbuch zu Schnitzler, Nietzsche und schließlich zum Urheber Artur Dieckmann.
Hier ein weiteres Beispiel zitiert: „‘Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin.‘ ist nicht von Bertolt Brecht. Dieser wohl beliebteste Slogan der Friedensbewegung wurde durch einen Artikel der Autorin Charlotte Keyes ab 1966 in den USA in der Version „Suppose They Gave a War and No One Came“ berühmt. Ende der 1970er-Jahre kam er auch in Deutschland auf, wo er bald irrtümlich Bertolt Brecht untergeschoben wurde. Das Zitat geht zurück auf einen Vers von Carl Sandburg: „Sometime they’ll give a war and nobody will come.“ (1936)

Jede Recherche ist eine Geschichte und macht das Buch bunt und vielfältig unterhaltsam und lässt staunen. Erfreulich ist, dass Krieghofer zu jedem/jeder vermuteten Autor:in drei korrekte Zitate anfügt.

Tipps, wie Leser:innen falsche Zitate identifizieren können, gibt er auch: „Wenn mich jemand fragt, ob die Zuschreibung eines Zitats stimmt, suche ich kurz auf der bekannten Suchmaschine und in einigen Online-Zeitungsarchiven. Wenn ein beliebter „Klassiker“ bei einer chronologischen Suche im 21. Jahrhundert das erste Mal auftaucht, ist der Verdacht sehr groß, dass es ein entstelltes Zitat oder ein Kuckuckszitat ist. Aber man kann sich nie sicher sein, bevor man nicht die relevante Fachliteratur durchsucht und sich mit einschlägigen Fachleuten ausgetauscht hat. Darüber hinaus bin ich mit Philolog:innen auf der ganzen Welt vernetzt.“

Bisher gelang es dem Autor über 700 Zitate den richtigen Personen zuzuordnen.
Wer aktuell informiert sein möchte, kann dies über den Blog des Autors https://falschzitate.blogspot.com/ bleiben, der meint: „Zitate haben heutzutage eine andere Funktion als die bildungsbürgerliche Angeberei vor hundert Jahren. Sie sind ein wichtiger Bestandteil unser aller Kommunikation und verbinden uns mit den hellsten Köpfen aus der Vergangenheit.“

Dieses Buch gibt Unterrichtenden gute Impulse, Schüler:innen auf Entdeckungsreisen zu schicken und so deren kritisches Denken anzuregen und zu genauem Recherchieren anzuleiten. Für alle anderen ist das Buch eine Anregung, zukünftig achtsamer beim Zitieren zu sein und Fakes zu stoppen, indem die Rechercheergebnisse weitergegeben werden, was auch Spaß machen kann.

Rezension
Ilse M. Seifried, MA
https://www.i-m-seifried.at