Christoph Türcke im Interview mit Lisa Nimmervoll im Standard: „Man braucht die
Schulen eigentlich nicht mehr“. Das Gespräch bietet viel interessante Gedanken, Thesen und Behauptungen, die Basis sein könnten für eine intensive Diskussion über den eingeschlagenen Weg, den die
österreichische Bildungspolitik den Schulen vorgibt.
Man wird sicher nicht mit allen Standpunkten Türkes einverstanden sein
Man wird sicher nicht mit allen Standpunkten Türkes einverstanden sein – Kritiker werfen ihm zum Beispiel vor, er vertrete reaktionäre Ansichten. Es könnte aber eine Auseinandersetzung mit einer
neuen inhaltlichen Qualität werden, weil sie die wenig bekannte neoliberale Bildungsstrategien aufdeckt und damit einhergehende Mythen aufbricht. Das könnte Raum schaffen für eine Debatte, die
das Potential hat, ein tragfähiges Gerüst zu bilden für eine endlich erfolgreiche Bildungspolitik und damit einer wirklichen und nachhaltigen Verbesserung der Schule.
Scharfe Kritik am neoliberalen Bildungssystem
Seine Kritik am derzeitigen „neoliberalen Bildungssystem“ ist scharf pointiert, und trifft in einigen Punkten den Nerv des Systems. Die sogenannte „Neue Lernkultur“ mache aus „Lehrern nur noch
Ratgeber, die bei Bedarf zur Stelle sind, Tipps geben und spontanes Coaching durchführen“. Es werde „Selbstentfaltung und Abschaffung von autoritären Strukturen“ mit „zuckersüß und verführerisch
klingen“ Begriffen versprochen. Die Kinder seien jetzt das „Zentrum aller Bildung“. Die autoritären Strukturen hörten nicht auf, sondern seien von den Lehrpersonen „auf die Lehrmaterialien
übergegangen. Der Frontalunterricht sei endlich abgeschafft, „und jedes Kind bekommt seinen individuellen Frontalunterricht durch Arbeitsblätter“. Türcke weist auch auf das Einsparpotenzial hin.
„Weniger LehrerInnen können mehr Schüler zwar nicht unterrichten, aber beaufsichtigen“. Konsequent weitergedacht, brauche man die Schule „eigentlich nicht mehr“. Entsprechend lehnt Türcke auch
die Digitalisierung der Schule strikt ab.
Bildungstaylorismus
Auf die Frage, „Welche Mechanismen sind hier am Werk?“, hat Türke eine bemerkenswerte These, die es gilt weiter zu verfolgen: Was derzeit passiere, habe starke Ähnlichkeit mit dem Taylorismus.
Der Drang zu immer mehr Effizienz schlage in Ineffizienz um. „erleben wir jetzt in der Schule mit dem Ersetzen der Lehrer durch Programme und Maschinen.“ Die Folge der vollkommenen Ökonomisierung
des Bildungsbetriebs führe sichtlich dazu dass, „elementare Fähigkeiten wie Rechtschreibung und Rechnen erodieren.“
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