Auf die provokante, durchaus ernst gemeinte Frage

kann man bereits ehrliche Antworten geben. Nein, das wäre weder fair, noch gerecht. Das stelle vielmehr einen Angriff auf unsere soziale Sicherungssysteme dar. So müssen zum Beispiel die Löhne und Gehälter der arbeitenden Menschen stärker steigen, wenn wir das Umlageverfahren, auf dem unser Pensionssystem fußt, sichern wollen. Peter Schleinbach, KV-Verhandler der Pro-Ge und Verwaltungsratsmitglied der PVA, wird im letzten Falter (Nr 44/23, hier auf Seite 19) mit den Worten zitiert: „Wenn die Pensionen um 9.7 % steigen und die Löhne nur um 2.5 %, dann fehlen jedes Jahr zwei bis drei Milliarden im Pensionssystem.“ Das heißt, bei einem Abschluss unter der rollierenden Inflation entgehen der PVA wichtige Beiträge. Für jedem Prozentpunkt darunter, fehlen also zwischen 300 und 400 Millionen in der Kassa der Pensionsversichungsanstalt. Aber nicht nur das.

Die Lohnerhöhungen haben keinen nennenswerten Einfluss auf die Preissteigerungen, wie dieser WIFO Research Brief nachweist. Die berühmt berüchtigte Lohn-Preis-Spirale gibt es nicht, sie ist vielmehr reiner ideologischer Humbug.

Höhere Löhne sind wichtig für die Wirtschaft

So geht der Budgetdienst des Österreichischen Parlaments in seiner Studie zur „Einkommensentwicklung und Verteilungswirkungen der Unterstützungsmaßnahmen“ vom 7. September davon aus, dass Österreichs Wirtschaft 2024 wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt, weil – bei noch immer hoher Inflation – die Kaufkraft der arbeitenden Menschen 2024 weiter ansteigt. Genau damit begründet die Bundesregierung ihre Zurückhaltung bei inflationsdämpfenden Maßnahmen. Dass die Unterstützungsmaßnahmen der Bundesregierung 2022 ihre Wirkung enfaltetet haben, ist unbestritten. Das zeigt übrigens auch diese Eurostat-Studie, wonach wir Österreicher 2022 die EU-weit die dritthöchsten mittleren verfügbaren Einkommen haben. 2023 und vor allem 2024 könnte das aber wieder anders aussehen, wenn es zu Kaufkraftverlusten kommt. Es muss erwähnt werden, dass der Budgetdienst für 2023 und 2024 von guten KV-Lohnabschlüssen (über der rollierenden Inflation) ausgeht. Das stellen jetzt die Arbeitgeber aber gerade in Frage(!), obwohl die Industriekonjunktur in Österreich die Talsohle schon durchschritten haben dürfte, worauf Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der Bank Austria, hinweist.

Die von mir anfangs formulierte Frage müssen wir – als GewerkschafterInnen – jetzt beantworten. Wenn wir unsere Pensionen oder vielmehr unser Sozialsystem sichern wollen, dann müssen wir – und gemeint sind alle – bereit sein, dafür zu kämpfen. Die Metaller geben uns dabei die Richtung vor.

Gerade deswegen müssen wir unsere uneingeschränkte Solidarität zeigen. Und ich meine, die GÖD müsste nachziehen, geht es doch um unser aller Wohlstand. Insofern wären Lohnerhöhungen unter 9.7 % eine klare Niederlage, weil sie unter den zugestandenen Pensionserhöhungen blieben. Argumente wie, dass die Benya-Formel dieses Jahr nicht zur Anwendung kommen könne und das negative Wirtschaftswirtschaftswachstum bei den Lohnverhandlungen Berücksichtigung finden müsse, sind reine Arbeitgeberargumente, denn die mittelfristige Produktivitätsentwicklung (oder eben das mittelfristige Wirtschaftswachstum als relevante Größe für den Öffentlichen Dienst) zielt auf mehrere Jahre ab und ist noch immer positiv.1

Das wäre also eine volkswirtschaftliche Falschinterpretation der Benya-Formal, worauf der ÖGB in seinem Tweet hinweist. Ich tue mir damit genauso schwer wie Oliver Picek, Chefvolkswirt vom Momentum Institut, weil die realen wirtschaflichen Kennzahlen einfach eine andere Sprache sprechen. Nicht nur die Industrie hält ordentliche Lohnerhöhungen aus.

Von Deindustriealisierung ist nämlich in Österreich nichts zu merken. Die Industrieproduktion wächst, nicht zuletzt aufgrund von Wettbewerbsvorteilen bei den Lohnstückkosten. Die volkswirtschaftliche Realität stimmt mit den Narrativen der Wirtschaftkämmerern nicht überein.

Die GÖD müsste nicht nur heuer höher als die Metaller abschließen, wenn sie die Lohnlücke zwischem Öffentlichen Dienst und der Privatwirtschaft verkleinern möchte. Wird diese Lücke noch größer, wird der Personalmangel institutionalisiert. Letztendlich geht es um den Erhalt der Kaufkraft und hierfür ist das real verfügbare (Netto-)Einkommen relevant, also müsste es jedenfalls dem GÖD-Verhandlungsteam um mehr als die rollierende Inflation gehen, wenn es arbeitnehmerfreundlich verhandelt. Und jeder Verweis auf die Abschaffung der kalten Progression zählt nicht, weil wir als lohnsteuerpflichtige Beschäftigten diese uns selber zahlen.

 


1 Nach der Benya-Formel errechnet sich die Lohnforderung für den Öffentlichen Dienst aus der rollierenden Inflation, die 9.15 % beträgt, und einem mittelfristigen Wirtschaftswachstum, das gemäß WIFO und IHS entweder rd. 1,75 % für den Zeitraum 2022-24 (3 Jahresbetrachtung) oder rd. 0.7 % für den Zeitraum 2020-24 (5 Jahresbetrachtung) beträgt. Somit ergäbe sich eine Lohnforderung zwischen 9.85 % und 10.9 %, die jedenfalls höher ist als die Pensionserhöhung von 9.7 %. Zusätzlich muss die gestiegene Arbeitsbelastung Berücksichtigung finden.