Covid-Positiv! – und plötzlich wird´s ziemlich negativ!

 

Magda S. (Name von der Redaktion geändert) verspürte Kopfschmerzen, ließ sich testen und erfuhr so zu ihrer Überraschung von ihrer Erkrankung. Alle Auflagen hatte sie eingehalten, Abstand,
Mund-Nasen-Schutz, nicht durch die Klasse gehen, Lüften, wenig Kontakte, Hygienevorgaben. Ab der Diagnose kämpft sie mit Schuldgefühlen, andere angesteckt zu haben, mit den Auswirkungen der
Quarantäne auf ihre drei Kinder und dem recht planlosen Umgang der Behörden mit ihrer Erkrankung.

 

Leider hat sich drei Tage nach der Testung meine Befürchtung bestätigt. Lange 57 Stunden nach dem Test, halbstündliche Blicke aufs Handy und vielen Gesprächen über Covid später, erreicht
mich ein SMS – positiv!

 

Um Gottes Willen – Wen informiere ich als erstes? Was sage ich zu meinen Kindern? Welche Auswirkung hat mein positiver Befund auf andere? Hoffentlich habe ich meine Eltern, die zu der
gefährdeten Personengruppe zählen, nicht infiziert. Ich werde jedenfalls Antikörper spenden …. Es wird jemandem helfen.

 

Aber erstmal lag eine Odyssee vor mir, deren Auswirkungen mich bis heute begleiten, aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

 

Am Nachmittag ärgere ich mich erstmals furchtbar über das Vorgehen der Gesundheitsbehörden. Gegen Mittag der erste von ca. vier Anrufen. Jedes Mal mit einer anderen Frage:
Sie brauchen einen Sitzplan (nachvollziehbar, doch den hatte ich in der Schule, wie alle meine Unterlagen), den sollte ich aus dem Gedächtnis, so gut es gehe, aufschreiben und mailen. Dann wollen
sie wissen, ob ich durch die Klassen gegangen und ob gelüftet worden sei. Beim nächsten Anruf, ob und wer eine Maske getragen habe. Gleich darauf der vierte Anruf: Welche Maske? Statt alles auf
einmal abzufragen, vier Anrufe! Sieht so planvolles Vorgehen aus?

 

Zugleich sinkt meine Stimmung. Wie die Gesundheitsbehörden die Angelegenheit abhandeln, lässt mich an mir selbst zweifeln. Da wird es mir plötzlich peinlich, dass ich angeben muss, „eine
selbstgenähte” Maske getragen zu haben. Ein bisschen kämpf ich mit dem Gefühl, dass alles einfacher mit einer kleinen Lüge gewesen wäre oder besser keinen Test gemacht zu haben. So mies fühle
ich mich am Montagnachmittag! Was ist los? Tief in mir drinnen, bin ich wirklich so verantwortungslos?

 

Obwohl ich alle Vorgaben eingehalten habe, wird die ganze Klasse nachhause geschickt. Ich bin selbst Mutter von vier Kindern und mir ist bewusst, dass in diesem Moment viele Eltern gerade
ihre Sonderbetreuungstage zählten. Viele waren bei den meisten wohl nicht mehr übrig.

 

Aufmunterung oder wenigstens anerkennende Bestätigung meiner korrekten Vorgangsweise kommt von den Behörden nicht. Kein „Sie haben sich an alle Vorgaben gehalten und die
Kinder geschützt.” Kein “Fühlen Sie sich nicht verantwortlich! Die Infektion kann von Gott-weiß-woher gekommen sein!” Nein, nichts. Natürlich auch kein beruhigendes Wort für die Schüler*innen.
Die werden mit der Bemerkung “Ihr könntet mit dem Coronavirus infiziert worden sein“ an diesem Montagvormittag heimgeschickt, egal, ob Ihre Eltern zuhause sind oder nicht. Sie werden allein
gelassen mit ihren möglichen Ängsten.

 

Das alles und das Chaos für Schule, Schüler*innen, Kolleg*innen und Eltern lassen meine Schuldgefühle nicht kleiner werden. Dabei ..! Meine Schuld ist es nicht!!! Ich habe die Vorgaben
erfüllt! Die Behörden tragen die Verantwortung. Nach dem ersten Lockdown war genug Zeit, sich ein brauchbares Konzept zu überlegen – eine Klasse schließen ist kein brauchbares Konzept!

 

Die Frage, woher ich den Virus hatte, beschäftigt mich anfänglich sehr. Nicht, weil ich jemanden verantwortlich machen will. Vielmehr ist mir einfach unbegreiflich, woher
meine Ansteckung gekommen ist.. Ich bin Mathematikerin, natürlich weiß ich, dass es eine Frage der Wahrscheinlichkeit aber auch des Zufalls ist – und trotzdem dreht sich das Rad im Kopf immer
weiter. Ich habe in den Ferien beinahe niemanden getroffen, bin abends zuhause gewesen, Abstand halten, Masken tragen, ich war sehr vorsichtig. Ich habe das Konferenzzimmer gemieden und meine
Eltern nur mehr mit großem Abstand und M-N-Schutz besucht.

 

Woher ich das Virus habe, weiß ich nicht und werde es auch nicht herausfinden – Je mehr Zeit vergeht, desto unwichtiger wird das „Woher“, dafür steigt die Wut über die Auswirkungen im
Privatleben. In meinem Fall bedeutete das, die beiden Mädchen vom Kindergarten abmelden, Johannes von der Schule entschuldigen und auf die beiden Termine für den Flötenunterricht verzichten. Sehr
schmerzhaft war, die Absage der kleinen Geburtstagsfeier meiner Tochter Karina, eine Feier, die sie sehnsüchtig erwartet hatte .

 

Während der Quarantäne hatte ich viel Zeit, und der Ärger über das Behördenchaos ließ sich nur schwer unterdrücken. Wir hatten viel Glück – die Kinder sind gesund. Wir haben
viel Platz im Haus und einen großen Garten. Sie finden sich immer etwas zum Spielen oder Herumtoben. Aber sie vermissen Freunde, Nachbarn und den Rest der Familie. Sie haben diese elf Tage in
Quarantäne gut überstanden, aber sie ist nicht spurlos an ihnen vorüber gegangen.

 

Johannes bemerkte, dass andere Menschen nicht von der Quarantäne betroffen sind und wollte die Polizei rufen, als er Spaziergänger auf der Straße entdeckte. Luisa sah ihre Oma auf der anderen
Seite des Gartenzauns und rief mir zu „Mama, ich gehe eh nicht so weit zu Oma hin.“ Und Karina stand ca. 10 min auf ihrem Roller am Straßenrand (immer noch auf unserem Grundstück) und heulte,
weil sie nicht mit unseren Nachbarmädchen mit düsen durfte. Auch für meine große Tochter war die Quarantänezeit schwierig. Sie musste von zuhause alle Uniaufgaben erledigen und Prüfungen
ablegen.

 

Als dann die Ankündigung zum harten Lockdown kam, war ich am Ende. Ich behaupte, ich bin eine starke Frau und Mutter, aber diese Maßnahmen im schulischen Bereich treffen mich als Mutter und
Lehrerin sehr hart. Ich hoffe sehr, dass sie auch uns mehr nützen als schaden. Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Gesellschaft sich den psychischen Folgen für Familien, Kindern und Jugendlichen
und auch jungen Erwachsenen bewusst ist. Wir nehmen diese Erkrankung ernst und wir halten uns weiterhin an alle Regeln. Aber – was wurde von den Behörden eigentlich im Sommer gemacht, um
die zweite Welle an den Schulen zu verhindern?!

 

Für die Schulen ist auf jeden Fall noch vieles zu tun. Meine Vorschläge:

  • Wenn nur ein Klassenlehrer/eine Klassenlehrerin einer Klasse krank ist, können sich die Schülerinnen dieser Klasse schnell zusammen reimen „wer“ der Coronafall ist. Es braucht hier Ideen,
    wie man diese Krankheitsfälle vertraulich behandeln kann.
  • Ich würde mich für das Einholen einer Einverständniserklärung aller Eltern aussprechen (gleich am Ende des zweiten Lockdowns), dass ihre Kinder bei Verdachtsfällen sofort getestet werden
    dürfen, ohne auf einen Bescheid zu warten, der die Eltern dazu verpflichtet. Die zweite Option muss die freiwillige Quarantäne sein.
  • „K1“- SchülerInnen sind vorab schon zu informieren und sollen nicht mehr an die Schule kommen. Die Testung der restlichen Klasse sollte am frühestmöglichen Tag an der Schule stattfinden,
    mit einem mobilen Team, etc.

 

Bildnachweis: Bild von Marek
Studzinski 
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