Gary Fuchsbauer (ÖLI-UG) kommt hiermit dem Wunsch des Ministers nach, mit ihm „direkt in Kontakt zu treten und“ Ihnen meine „Sichtweise zu schildern oder auch Anregungen zu geben“. Diesen Wunsch
äußerte Minister Faßmann in seinem Mail „Danke für Ihren Einsatz im Schuljahr 2017/18“, das er über bildung.gv.at am 28. Juni 2018 an „Alle Bediensteten“ schickte.
Von Gary Fuchsbauer
Liebe Leute vom BürgerInnenservice! Geschätzter Herr Minister (falls Sie überraschenderweise dieses Mail zu Gesicht bekommen)! Liebe MitleserInnen!
Da es sich bei diesem Dankschreiben um eines aus dem (u.a.) Wissenschaftsministerium handelt, sei es mir gestattet entsprechende Maßstäbe anzulegen.
Worauf beruht die Einschätzung des Schuljahres 17/18 als „äußerst ereignisreich“? Mir ist nichts aufgefallen.
Warum stand das abgelaufene Schuljahr im Zeichen von Veränderungen, die doch erst im kommenden Schuljahr wirksam werden?
Für die Schulen wird doch nur eine weitere Sparmöglichkeit wirksam, indem die gesetzlichen KlassenschülerInnen- und Gruppen-Höchstzahlen abgeschafft werden.
Dass deshalb bereits Mitte Mai die Direktionen mit Schulgemeinschaftsausschuss bzw. Schulforum ein Einvernehmen herzustellen hatten, scheint
a) an den meisten LehrerInnen vorbeigegangen zu sein und wird
b) durch Fakten im Herbst wohl obsolet werden. Denn was nutzt es, dass sich zB in meiner Schule alle darauf verständigt haben, weiterhin nach den bis 31.8.2018 geltenden Zahlen vorzugehen, aber
sich am Beginn der Ferien zeigte, dass das leider, leider nicht geht, weil die Ressourcen dafür nicht reichen?
Die Schulleitung hat die definitive Lehrfächerverteilung nach bestem Wissen und Gewissen und sparsam erstellt und am Donnerstag der ersten Ferienwoche erhielt jede/r Lehrer/in per Mail
mitgeteilt, in welchen Klassen 18/19 was zu unterrichten ist.
Doch tags darauf kam ein weiteres Mail an alle Lehrer/innen, in dem es hieß:
„von der Schulleitung wird mitgeteilt, dass die am 12.7.2018 freigegebene definitive Lehrfächerverteilung als prov. definitive LFVT betrachtet werden muss.
Erklärung
Nach Abschluss der Arbeiten an der Lehrfächerverteilung hat sich herausgestellt, dass nach derzeitigem Stand ein Mehraufwand von ca. 93 Realstunden in der ausgeschickten definitiven
Lehrfächerverteilung inkludiert ist. […] Dieses ernüchternde Ergebnis bedeutet, dass wir als Schulleitung Maßnahmen setzen müssen um den Mehraufwand von 93 RS drastisch zu reduzieren [Anm.: das
sind 4-5 Dienstposten!].
Maßnahmen RS-Reduktion:
– Änderung Anzahl SchülerInnen/Werkstätte pro Klasse
– abteilungsübergreifende Lösungen (Werkstätte, WELA, Labor)
– Einsparungen Teilungen“
Da der Einvernehmensmechanismus über die SchülerInnen pro Klasse/Gruppe nur im Mai vorgesehen ist, bleibt Schulautonomie graue Theorie, weil die Schulaufsicht die Zahl der LehrerInnenstunden
bestimmt (und dieses wiederum an die Zuteilungen aus dem BMBWF gebunden ist – und jede/r Ehrliche/r weiß, dass die Kopfquoten nur bei Riesenklassen funktionieren) und daher die Schul(leitung)en
zu den genannten Maßnahmen gezwungen werden, die weder pädagogisch sinnvoll sind, noch bessere Leistungen der jungen Menschen bringen werden.
Wenn im Brief des Ministers von der Ausweitung der „Möglichkeiten der flexiblen pädagogischen Gestaltung“ geschrieben wird, so wissen wir LehrerInnen seit vielen Jahren leidvoll, dass das
nur bedeutet, dass wir selbst entscheiden können, ob wir zB die Mathematik- und Deutschteilungen in den Klassen mit über 30 SchülerInnen streichen oder in den Werkstätten die (bisherigen)
Höchstzahlen massiv überschreiten (Freigegenstände oder unverbindliche Übungen streichen geht leider nicht mehr).
Und zwar warum? Weil das Bildungsbudget schlicht und einfach zu gering ist (vgl. Anteil am BIP).
Liebe Leute vom BürgerInnenservice! Geschätzter Herr Minister! Bildung kostet!
Bitte machen Sie das dem Finanzminister und allen Mitgliedern der Bundesregierung klar!
Zu den Deutschförderklassen schreib ich als BMHS-Lehrer nichts. Aber was ich dazu lese, stimmt mich traurig.
Lehren aus Ergebnissen der Zentralmatura ziehen:
Besteht Bewusstsein, dass zu diesen Ergebnissen auch gehört, dass in den (doch erfreulicherweise so vielfältigen Sek.2-)Schulen jetzt nur mehr die Maturfächer zählen und innerhalb dieser nur mehr
die abprüfbaren Inhalte, die die Matura vorgibt? Dass Schularbeiten schon Jahre vor der Matura nach den Zentralmaturaanforderungen erstellt werden und nur mehr Lernen und Trainieren für den Test
im Vordergrund steht? Dass das mit der von unserer Wirtschaft und unserem Menschenbild verlangten Kreativität und Teamfähigkeit aber schon gar nix zu tun hat?
Es ist schön, dass Sie „in den kommenden Wochen und Monaten verstärkt die Meinungen der Betroffenen“ wollen. Ich schätze diesen Willen. Aber vielleicht ist es gewissermaßen ein Freudscher
Verschreiber, dass gerade bei diesem Satz (nach dem Klammerausdruck) das Verb und der Punkt fehlen. So bleibt das Wollen offen.
Auch Scholzens Bemühungen werden offen bleiben, wenn einerseits weiterhin geglaubt wird, dass „das Schwein vom Wiegen fetter wird“, das Prüfen, Kontrollieren, Evaluieren, Testen immer mehr in den
Vordergrund gestellt wird, und andererseits kein Geld in die Hand genommen wird, um ausreichend Zeit/LehrerInnen/Unterstützungspersonal/Raum für die Pädagogik zu finanzieren.
Ist im „Wissensministerium“ (ich war heute erstmals auf FB-Seite
des Ministeriums) bekannt, dass LehrerInnen danach lechzen, endlich aufatmen zu können, weil es endlich mehr Zeit/LehrerInnen/Unterstützungspersonal/Raum für die Pädagogik
gibt?
Ist es bekannt, dass in AHS und BMHS ein Horror vor der Zeit nach 2019 besteht, wenn NeulehrerInnen um 3 Stunden mehr unterrichten und dazu noch 2 nichtunterrichtliche Aufgaben übernehmen
müssen, wo doch schon im alten Dienstrecht seit Jahren unter dem gestiegenen Arbeitsdruck gestöhnt wird?
Zum nächsten Absatz Schnittstellen/Lehrpläne kam mir spontan in den Sinn: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Zu oft haben wir diese Botschaften schon
gehört.
Ich führe nur eine ganz aktuelle Sache aus dem Bereich an, in dem ich arbeite: Das Ministerium hat dekretiert, dass an den HTL für Berufstätige ab 2021 die Zentralmatura gilt. Abgesehen davon,
dass da geplant ist, dass die erwachsenen MaturantInnen dann zu den gleichen Deutschthemen wie die TagesschülerInnen schreiben, gibt es ein viel funamentaleres Problem: knapp 3 Jahre vor diesem
Zentralmaturatermin gibt es noch keine Lehrpläne dazu! Wiederholt gab es Ankündigungen von in Begutachtung gehenden Lehrplänen, aber zuletzt wurden bloß Ende Juni an (einen Teil (?) der) Schulen
Stundentafeln (ohne Lehrpläne!!) versandt, an die man sich ab Sept. 2018 halten solle. Dabei wird formuliert: „Es ist eine Inkraftsetzung der neu ausgearbeiteten Lehrpläne ab dem Schuljahr
2018/19 vorgesehen. Sollte dieser Zeitplan nicht eingehalten werden können, so wird im September 2018 eine Schulversuchsgenehmigung von Amts wegen erfolgen.“ Wollte nicht das Bildungsreformpaket
Schulversuche einschränken? Und nun kommen Schulversuche von Amts wegen für alle betroffenen Schulen, bloß um ein willkürlich bestimmtes Zentralmaturadatum halten zu können?
Sehr geehrter Herr Minister! Dekretieren Sie bitte, dass die Zentralmatura an HTLs für Berufstätige dann startet, wenn es ordnungsgemäß eingeführte Lehrpläne dafür gibt und die studierenden
Berufstätigen den ganzen Lehrplan durchlaufen haben, bevor sie zur Zentralmatura antreten!
Im Übrigen scheinen mir die vorgelegten Stundentafeln nach dem alten Gehrerschen Prinzip der Schülerentlastungsverordnung zu laufen: Weniger Stunden für die Bildung der Menschen, damit’s
billiger wird. Erreichen wir damit das Ziel der vielen gut ausgebildeten TechinkerInnen, nach denen alle rufen?
Hiermit bin ich ferial dem Wunsch nachgekommen „direkt in Kontakt zu treten und“ Ihnen meine „Sichtweise zu schildern oder auch Anregungen zu geben“.
Ich hoffe, Sie können was damit anfangen.
Ich wünsche auch Ihnen einen erholsamen Urlaub und in wenigen Wochen dann wieder auf’s Neue ein gemeinsames fröhliches Werkeln mit uns LehrerInnen für die Bildung der Menschen!
Ihr
Josef Gary Fuchsbauer
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